Beiträge vom März, 2016

Angewandte Legasthenie (1): Schon obszön

Mittwoch, 30. März 2016 22:44

Alle naslang beglückt das Spitzennetzwerkertopnetwork Xing mich mit einem unglaublich interessanten Newsletter. Heute habe ich, während der Mauspfeil schon die Schaltfläche fürs Löschen ansteuerte, zum ersten Mal seit langem etwas genauer hingeguckt. Eine Betreffzeile las ich da, mit der meinetwegen auch einmal das manager magazin titeln darf, damit es endlich seine Eigenwerbung

steht seit 1971 für unabhängigen, erstklassigen Wirtschaftsjournalismus

– mit Leben füllt. Was aber las ich? Dies:

So fickt das deutsche Management

Eine Sekunde später erkannte ich meinen Fehler, und Xing mußte abermals auf mich verzichten (wie das manager magazin schon immer). Denn tatsächlich stand im Betreff:

————XING-Letter_30-03-16

Die Enttäuschung! – Arno Schmidt hätte mir den Verleser gewißlich nicht übelgenommen. Horst Tomayer, denk ich, ebenfalls nicht. Und Sie, liebe Leserin, werter Leser? Sind Sie jetzt enttäuscht von mir? Sehr? Da wären Sie leider nicht der erste Mensch.

Abteilung: Aufgelesen, Bored beyond belief, Kaputtalismus, Selbstbespiegelung, Unerhört nichtig | Kommentare (2) | Autor:

The Happy Eggheads in: Versemmelt

Dienstag, 29. März 2016 23:30

 Für Eric Rohmer
Late_Eggheads_01_(c)_Kay_Sokolowsky


MANN.
Du könntest wirklich etwas kooperativer sein.
FRAU. Wieso das denn? Du hast es versemmelt.
MANN. Das ist jetzt aber etwas hart ausgedrückt. Versemmelt … Ich hab
doch dran gedacht, am Karfreitag!
FRAU. Und es dann versemmelt.
MANN. Ich hab‘s bloß vergessen, ich war abgelenkt …
FRAU. Und jetzt soll ich davon ablenken, daß du es versemmelt hast.
MANN. Nichts lenkt die Leute besser ab als ein schönes Gesicht …Das
Hollywood-Geheimnis!
FRAU. Den Film drehst du mal schön ohne mich. Du hast es versemmelt.

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Abteilung: Bored beyond belief, Selbstbespiegelung, Unerhört nichtig | Kommentare (0) | Autor:

Weihrauch und Möhre

Sonntag, 27. März 2016 18:48

Einen recht eigenen Beitrag Kay Sokolowskys zum Easter Event Twentysixteen können Sie in der gedruckten Taz finden (3,20 € – dicke Wochenendausgabe!), online aber auch („Taz.zahl ich!“).

Die Geschichte des jungen Rammlers Tobi, der‘s Schnopernäschen vom Osterhasentum voll hat, enthält alles, was der autochthone Abendländler braucht: Brauchtum (bunte Eier), Religion (Osterfeuer), Gefühl (Rita, die Zibbe) und Leitkultur (Kräuterschnaps). Außerdem ist sie mit einer Illustration von Ari Plikat geschmückt, die, sehen Sie nur selbst, den Kauf einer Holz-Taz zur echten Wertanlage macht:

Tobi (u. l.) mit Rita (o. r.)

Tobi (u. l.) mit Rita (o. r.)


Wesołych Świąt Wielkanocnych i smacznego jajka!

Abteilung: Sokolowsky anderswo | Kommentare (1) | Autor:

My fair vanity

Freitag, 25. März 2016 22:13

Mit speziellem Gruß an Bernd Ladwig


Anmerkungen zur Polemik, erster Durchgang

Das öffentliche Schreiben, egal auf welchem Niveau, besteht zu mindestens einem Viertel aus Posieren, das heißt, aus dem Ideal, das der Schreiber von sich hat, wenn er seine Mitteilungen an ein Publikum richtet. Weitere wenigstens zehn Prozent jedes von Menschen für Menschen verfaßten Schriftstücks sind Anbiederung an die jeweils als Leserschaft vorgestellte Gruppe (man kann es auch, freundlicher, den Wunsch nach mehr Gehör nennen). Und die übrigen max. 65 von 100? Die sollten aus dem Talent bestehen, Wörter gut zu behandeln und den Stil an je andere Textformen anzupassen, ohne ihn zu verlieren. Und was passiert, wenn das Posieren, sagen wir, auf 60 Prozent anschwillt und zugleich das Anbiedern auf 30? Dann haben Sie eine brauchbare Formel für Henryk M. Broder.

Wo wiederum das Bosseln an den Sätzen so maßlos wird, daß man das Massenpublikum vergrault, befindet sich der Autor auf jeden Fall in einer Gesellschaft, die ihm behagt, weil sie nicht unter seinem Niveau denkt. Deshalb kann der Prosafetischist darauf verzichten, auch bloß ein Quantum seines stilistischen Bemühens an Gefälligkeiten oder Selbstdarstellung abzugeben: Die Eigenherrlichkeit der Sätze ist die des Autors, das Pflastern der Absätze mit Anspielungen, Halbzitaten und Doppeldeutigkeiten das Beste, was er seinen Lieblingslesern an Unterhaltung anzubieten hat, und des Schreibers Passion für Form und Architektur eines Textes verhindert, daß er zuviel Passion für sich selbst entwickelt. Sie können sich denken, daß ich hier von mir rede bzw. von dem, was ich in meinen Arbeiten versuche: einen Stil, der sich aus diversen Quellen speist, doch unverkennbar meiner ist, Marotten und Manierismen inbegriffen, zum Beispiel ein fatales Vergnügen an Wortspielen und Adjektiven.

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Abteilung: Litterarische Lustbarkeiten, Qualitätsjournalismus, Selbstbespiegelung, Sokolowsky anderswo | Kommentare (3) | Autor:

Round midnight: Was von Westerwelle bleibt

Montag, 21. März 2016 23:56

Beim Kombüsendienst am Abend höre ich das hier in den Nachrichten des Deutschlandfunks:

… Guido Westerwelle im Alter von 54 Jahren verstorben. Er lebte mit seinem Mann in …

„Mit seinem Mann“ –: Diese Formulierung, unbefangen geäußert in einem gewiß nicht gegenkulturellen Medium, zählt zu den wenigen, den echten Fortschritten der neuesten Zeit.

Zur Entspannung beim Umgang mit Homosexualität (jedenfalls in Westeuropa), hat der schwule Vizekanzler Westerwelle, so gut er es verstand, offenbar etwas beigetragen. Nämlich als Inspiration zu einer unverklemmten Radiomeldung; und dafür darf man sich des Menschen gern erinnern.

Ohne je zu vergessen, wie der Politiker – vielleicht zum Ausgleich, vielleicht um die Philister unter den Klienten zu beruhigen – degoutante Kreativität entfesselte, wo es galt, arme Schlucker zu diffamieren („spätrömische Dekadenz“) oder den Förderern seines Wahlvereins Dank zu erstatten auf Kosten der Allgemeinheit („Hotelsteuer“).

Ein Mensch – das nehme ich an, weil ich weiterhin generös gegen den Guidomobilmann gestimmt bin –: Ein Mensch kann in seinem Leben maximal einen einwandfrei idealistischen Kampf führen, und er vergißt, ich kenn mich da aus, darüber viele entscheidende Dinge. Das macht den guten Kampf allerdings nicht schlecht.

PS. Vielleicht bin ich auch deshalb so nachsichtig mit Westerwelle, weil einer wie er, neben Wirsinddasvolksvertreter wie Höcke oder Gauland gestellt, die erste Wahl wäre: ein Liberaler nicht zuletzt im Umgang mit dem politischen Gegner. Und ich werde die Ahnung nicht los, daß wir gelernten Guido-Spötter bald schon alle die alte Westerwelle-FDP vermissen werden; und zwar um so schmerzlicher vermissen, je schamferner und gemeiner deren Nachfolgeorganisation AfD sich spreizt.

Abteilung: Gute Nachrichten, Kaputtalismus, Man schreit deutsh, Zeuge der Geschichte | Kommentare (2) | Autor:

Der Gewissensfall

Samstag, 19. März 2016 19:20

Das objektive Ende der Humanität ist nur ein anderer Ausdruck fürs Gleiche.
Es besagt, daß der Einzelne als Einzelner, wie er das Gattungswesen Mensch
repräsentiert, die Autonomie verloren hat,
durch die er die Gattung verwirklichen könnte
Theodor W. Adorno, Minima Moralia [Reflexion Nr. 17]

Women_and_children_among_Syrian_refugees_striking_at_the_platform_of_Budapest_Keleti_railway_station._Refugee_crisis._Budapest,_Hungary,_Central_Europe,_4_September_2015._(3)_(c)_Mstyslav_Chernov

Syrische Flüchtlinge in Budapest, September 2015: „(Das Leiden) gilt in der arabisch-islamischen Kultur … als ein Wert an sich“ (H. M. Broder)

 

Wie erträgt es ein Mensch, so über Mitmenschen zu denken, ganz gleich wie ungleich sie ihm sind an Wohlstand und bestimmt auch Charakter, wie hält ein Mensch es mit sich selbst aus, wenn der Menschheit ganzer Jammer ihm bloß Anlaß für derlei miese Witze ist –

Gibt es für diese Art der Beharrlichkeit eine halbwegs vernünftige Erklärung? Ja. Anders als im hedonistischen Europa, wo Jugendliche, denen der Einlaß in eine Disko verweigert wurde, wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung behandelt werden müssen, gilt in der arabisch-islamischen Kultur das Leiden als ein Wert an sich

– wie kann dieser Verfasser solche Steinherzigkeit, solchen Hochmut, solche Misanthropie mit dem vereinbaren, was ihm als Gewissen verblieben ist? Und wie weit entfernt von der Befähigung zum Mitgefühl, zur Trauer und vor allem Scham muß einer sein, der den Vorwurf, einem Rassisten gleich zu reden, nicht etwa empört zurückweist, sondern damit kokettiert?

Das festzuhalten grenzt in Zeiten der Political Correctness an „kulturellen Rassismus“, macht die Feststellung aber nicht weniger wahr. Märtyrer zu werden, sich zu opfern ist in der arabisch-islamischen Welt als Lebensziel ebenso weitverbreitet wie unter deutschen Jugendlichen der Wunsch, Eventmanager zu werden. Familien von Märtyrern genießen großes Ansehen. Der Stolz auf ihre Kinder – vor allem Söhne, aber auch immer öfter Töchter – läßt weder Trauer noch Scham aufkommen.

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Abteilung: Kaputtalismus, Man schreit deutsh, Qualitätsjournalismus, Zeuge der Geschichte | Kommentare (2) | Autor:

Bernd Ladwig, ein derb vergrippter Pfadfinder

Samstag, 19. März 2016 15:37

Nach ein paar Tagen der inneren Sammlung und möglicherweise ein paar tiefen Schlucken hat der Poetologe und Großkritiker B. Ladwig es mir endlich gegeben; leider wieder nicht hier, sondern abermals auf Facebook. Der Josef-Joffe-Bewunderer sagt gleich selbst in seiner Art Deutsch, weshalb dort:

Facebook_Soko-Ladwig_09


Ich hätte übrigens nichts dagegen, den Fall damit abzuschließen. Aber Münkler-Schüler, die keine sein wollen, die Denunziation wittern, wenn einer auf Wikipedia und das Nächstliegende hinweist, kurz, deutsche Professoren, die Gegner, welche ihnen angeblich keine sind, ungescheut mit Viren vergleichen –: Solche Prachtkerle lassen vor lauter Satisfaktion über die eigene Derbheit nicht so schnell locker. (Es wäre mir eine Freude, mich diesmal zu irren.)

Abteilung: Undichte Denker, Unerhört nichtig | Kommentare (2) | Autor:

Schlecht kopiert

Donnerstag, 17. März 2016 1:54

Eigentlich wollte ich heute abend einen ziemlich exhibitonistischen Blogpost veröffentlichen. Darin sollte es um den Sonnenuntergang gehen, um die Eisenbahn und das Kino im weitesten, im Imax-Sinn.

Doch dann grätscht mir auf Facebook ein Professor von der FU Berlin dazwischen, als er dort (und nicht etwa hier, wo‘s hingehört) meine Einlassungen zum Neofeudalen Sloterdijk bemängelt. Unsauber ist nicht nur der Ort der Kritik gewählt, sondern dito das Argument, mit dem Bernd Ladwig mich als Dilettanten markieren will:

Facebook_Soko-Ladwig_01_redig

Warum reicht es Kritikern wie diesem, der von Sprachkritik nichts versteht, und das sind ja die meisten – warum reicht es diesen Leuten nie, jemanden als Kopisten zu schmähen? Warum muß der Kopist auch noch ein „schlechter“ sein? Weil Kritiker wie dieser Ladwig niemals Originale sein werden, immer bloß Epigonen? Der Verdacht liegt nah.

Und warum verlangen solche Stümper und Stänkerer von einem Autor, was der nie versprochen hat: ein „Florett“ zum Beispiel oder den Verzicht auf Kalauer?

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Abteilung: Selbstbespiegelung, Sokolowsky anderswo, Undichte Denker | Kommentare (5) | Autor: