Beiträge vom Januar, 2017

Trumpology

Sonntag, 29. Januar 2017 0:37

Minneapolis, 21.1.2017

In den vergangenen Tagen habe ich viel Zeit auf dezidiert linken US-Websites verbracht und noch mehr Stunden auf YouTube, zumal im Kanal von „Democracy Now!“ Denn die gleichermaßen stupide wie stumpfe Machtvorführung des neuen US-Präsidenten seit Tag 1 vermögen jene Menschen am besten zu erklären, die das Unheil unmittelbar erleiden und die im Aufstieg Trumps weder einen „Unfall“ noch eine russische Verschwörung sehen, wie es die neoliberalen Qualitätsquatschköpfe tun. Sondern im 45sten die Konsequenz eines Systems erkennen, das Colin Crouch „Postdemokratie“ nennt.

Bei den langen, zunehmend bangen Stunden am Monitor wurde mir erstmals klar, wie nah die USA daran sind, in eine echte Autokratie transformiert zu werden, und wie leicht die unzähligen Einschränkungen der Bürgerrechte unter Trumps Amtsvorgängern es dem Neonfaschisten bei seiner Mussolini-Nummer machen. Die Vereinigten Staaten durchzieht seit vielen Jahren ein tiefer sozialer und ideologischer Riß, nicht erst seit der Kandidatur des Unholds. Und das einzig Positive, was sich über den Jerk-in-chief sagen läßt, ist dies: Er legt offen, was die glänzende Rhetorik Obamas acht Jahre lang verschleierte. Das System hat schon vor langer Zeit versagt, nicht erst bei der Wahl im Herbst, sonst gäbe es den Unhold am Roten Knopf nicht, sonst wäre auch die korrupte, verlogene und beispiellos verhaßte Kandidatin Clinton nie möglich gewesen.

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Abteilung: Die beste aller Welten, Ironie off, Kaputtalismus, Zeuge der Geschichte | Kommentare (17) | Autor:

Die Spezies hat‘s verkackt (3)

Mittwoch, 25. Januar 2017 0:45

Nur eine Menschheit, der der Tod so gleichgültig geworden ist wie ihre Mitglieder:
eine, die sich selber starb, kann ihn administrativ über Ungezählte verhängen.
Theodor W. Adorno,
Minima Moralia, „Abdeckerei“ (1951)


Beweisstück 3: Pfleger
der Landschaft

Die Zerstörung aller Existenzgrundlagen im Auftrag von Wachstum und Rendite
verläuft auch deshalb so glatt und flott, weil die Spezies nicht kapiert, daß sie untrennbar der Natur angehört, über welche sie rücksichtslos verfügt. Weil Menschen weiterhin an die Technik als Lösung für alle Probleme, welche die Technik erschafft, glauben, kommt uns die Biosphäre wie etwas vor, das sich nach Belieben verschmutzen läßt – irgendeine Maschine wird den Mist schon wegmachen. Und er verschwindet auch, doch nur für unseren Augenschein. Er wird in die Elendsregionen der Erde exportiert oder kilometertief vergraben oder, beliebtester Trick, in den Ozeanen verklappt. Aber so lange der Warenweltbürger giftiges Wasser aus Plastikflaschen säuft, wird er sich an giftigem Plastik im Wasser so wenig stören wie an einer Verschwendung, die desto rasender grassiert, je weniger zum Verschwenden da ist.

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Abteilung: Die Spezies hat‘s verkackt, Kaputtalismus, Schwammintelligenz | Kommentare (4) | Autor:

Live-Blog: President erect

Freitag, 20. Januar 2017 17:55


23.59 Uhr
Erlösung: Phoenix beendet die Live-Übertragung! Und ich desgleichen.
Gute Nacht, liebe Leserin, werter Leser; und freuen Sie sich ab sofort jeden Morgen, daß die Welt noch da ist! Verlassen dürfen Sie sich nämlich nicht mehr darauf:

The Trump Administration is committed to a foreign policy focused on American interests and American national security. Peace through strength will be at the center of that foreign policy.
(„The White House“)

23.49 Uhr
Bislang der ansehnlichste Teil der Parade: Die vier Straßenkehrer zwischen den beiden Blaskapellen. Leider war ich zu langsam für einen Screenshot. Verdammtes Alter – mit 20 hätte ich das nicht vergeigt! Mit 20 hatte ich allerdings auch keinen Computer. (Und wenn ich so weiterquassel, laden sie mich demnächst als Gastkommentator bei Phoenix ein.)

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Abteilung: Bored beyond belief, Kaputtalismus, Qualitätsjournalismus | Kommentare (5) | Autor:

Die Spezies hat‘s verkackt (2)

Freitag, 20. Januar 2017 0:32

Man möchte wahrlich sagen: die Menschen sind die Teufel der Erde,
und die Tiere die geplagten Seelen. […]
Die Welt ist kein Machwerk und die Tiere kein Fabrikat zu unserm Gebrauch.“
Arthur Schopenhauer,
Parerga und Paralipomena.
Zweiter Band, Kapitel 15:
Über Religion
(1851)

Beweisstück 2: Kronprätendenten der Schöpfung
Vor kurzem wurde der Konzernatlas 2017
veröffentlicht. Er widmet sich den Konzentrationsprozessen in der Landwirtschaft, der immer stärkeren Monopolisierung in Produktion und Vertrieb von Nahrung. Die Herausgeber – Oxfam, BUND, Germanwatch, Le Monde Diplomatique, Heinrich-Böll- und Rosa-Luxemburg-Stiftung – schreiben im Vorwort:

Die Agrar-, Lebensmittel- und Handelskonzerne treiben die Industrialisierung entlang der gesamten Wertschöpfungskette vom Acker bis zur Ladentheke voran. Sie fördern mit ihrer Verkaufs- beziehungsweise Einkaufspolitik eine Landwirtschaft, bei der die Steigerung der Produktivität im Mittelpunkt steht und der Kampf um Marktanteile häufig zulasten der schwächsten Glieder in der Lieferkette geht: der Bäuerinnen und Bauern sowie der Arbeiter und Arbeiterinnen.

Das ist der kapitalistische Lauf der Dinge, der – anders als die Herausgeber hoffen – nicht durch eine „sozial-ökologisch orientierte politische Regulierung“ aufzuhalten ist, sondern allein durch die Entfernung des Kapitalismus. Die Folgen einer auf Profitmaximierung und Shareholder-value getrimmten Agrarindustrie nicht bloß für die Bauern, sondern auch für die Kundschaft sind im Konzernatlas zum Entsetzen genau beschrieben. Doch weder die zuständigen Ministerien und Behörden noch gar die profitierenden Konzerne dürften sich von der Lektüre beeindrucken lassen; sie werden drauf scheißen, wie sie generell auf alles scheißen, was die Geschäfte oder die „Rahmenbedingungen“ stört. Und die Leute, die die Suppe auslöffeln? Die freuen sich über die scheingünstigen Preise im Supermarkt und fressen jeden Scheißdreck, den die Herren des Marktes ihnen servieren.

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Abteilung: Die Spezies hat‘s verkackt, Kaputtalismus, Schwammintelligenz | Kommentare (6) | Autor:

Zeuge der Geschichte (9)

Mittwoch, 18. Januar 2017 1:11

Als ich vor ein paar Stunden las, daß Eugene Andrew „Gene“ Cernan, Kommandant von Apollo 17 und der letzte Mensch auf dem Mond, nicht mehr lebt, wurde mir abermals klar, wie alt meine Zukunft und wie fern dieser Mond heute ist, ferner sogar, als er 45 Jahre vor der Landung des LEM „Challenger“ im Taurus-Littrow-Tal des Mare Serenitatis gewesen war.

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Abteilung: Selbstbespiegelung, Zeuge der Geschichte | Kommentare (2) | Autor:

Die Spezies hat‘s verkackt (1)

Montag, 16. Januar 2017 22:17

Inhumanity, n. One of the signal and characteristic qualities of humanity.“
Ambrose Bierce,
The Unabridged Devil‘s Dictionary
(1911)


Der große Dichter Hermann Peter Piwitt spricht, wenn es um die Art Mensch geht, gelegentlich von „Killeraffen“. Das ist, finde ich, zu freundlich ausgedrückt. Die ebenso egozentrische wie blinde Zerstörungswut unserer Gattung ist über bloße Verbrechen an der Materie, lebendiger wie lebenswichtiger, noch weiter hinaus als über den letzten Termin zur Erhaltung des heutigen Weltklimas; humaner Vernichtungswahn läßt sich im fortschreitenden 21. Jahrhundert nur mehr mit Vokabeln aus der Psychopathologie benennen. Die allgewaltigen Primaten sind kollektiv irre geworden – irre an ihren Möglichkeiten und ihrer eingebildeten Wirklichkeit, irre zuletzt an sich selbst.

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Abteilung: Die beste aller Welten, Die Spezies hat‘s verkackt, Kaputtalismus, Schwammintelligenz | Kommentare (10) | Autor:

Elbvieh

Donnerstag, 12. Januar 2017 22:32

Ohne hier von „Lügenpresse“, „Mainstream-“ oder gar „Systemmedien“ dünnpfeifen zu wollen – aber es kann einen schon das kalte Kotzen ankommen, wenn der größte Skandal in der sowieso eklatanten Geschichte steuerfinanzierten Hamburger Protzbautentums titel- und bundesländerübergreifend so vehement ignoriert wird:

Screenshot „Google News“ 12.1.2017

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Abteilung: Kaputtalismus, Qualitätsjournalismus, Sokolowsky anderswo | Kommentare (9) | Autor:

Zeuge der Geschichte (8)

Dienstag, 10. Januar 2017 21:23

Als das Küchenradio mir vom Ableben des Lieblingsassis eines führenden Nazijuristen erzählte, ging abermals kein Ruck durch mich.

In diesen dunklen Tagen, dachte ich, kann ich mich echt über gar nichts freuen, und ich machte mich wieder ans schmutzige Geschirr.

Auch hier waren die braunen Spuren beim Wegsortieren verschwunden.


Photo: „Tropical Rucksack 3“ by Ironmonger
(Eigenes Werk) [CC BY-SA 3.0
oder GFDL],

via Wikimedia Commons

Abteilung: Man schreit deutsh, Unerhört nichtig, Zeuge der Geschichte | Kommentare (8) | Autor: