Dienstag, 28. März 2017 21:35
Vor einigen Tagen auf dem Balkon; die Sonne rollt gen Feierabend. Plötzlich im Nordwesten aus heiterem Himmel ein Mäusebussard, in weiten Kreisen die teils grüne, teils betonierte Gegend inspizierend, fast an den Flatterwolken der Jet-Abgase kratzend, alle Viertelminute nach Gefährten rufend und den verflixten Krähen drohend, im melancholischen Tonfall seiner Art. Zum Glück das passende Buch auf dem Schoß, hineingeblättert und dies gefunden:
Wie er fliegt, wie er fliegt. Wer ihm nicht die Gunst erwiese und ihn schmähte gar, der sündigte. Wer sein Fürsprecher nicht wäre. Wer sich nicht für ihn verwendete. Wer ihm Freunde nicht würbe.
—Oder neulich. Lachsrotes Dämmerlicht, abermals auf dem Balkon. Einer Kohlmeise zugesehen und immer respektvoller zugehört. Knapp 15 Meter Luftlinie entfernt sitzt das Tierchen in der kahlen Buchenkrone, mit gehörigem Sicherheitsabstand zu einer Elster (die sich aufplustert im kühlen Wind und vielleicht wie ich bloß lauschen will). Die Meise ruft „Erster erster!“ in die Umgebung, und es scheint, als könnte sie die Grundrechenarten: Der Doppelton erschallt erst zwei-, dann drei-, dann viermal. Anschließend geht es mit zwei Meldungen von vorne los, diesmal aber steigert sich die Serie bis zum fünfmaligen Schlag.
—Auf diese Art geht es mehrereiMinuten lang weiter, bis die Kohlmeise sich zu sieben Wiederholungen hinaufgearbeitet hat. Die Rufe sind unfaßlich scharf und stark für ein so winziges Geschöpf (kaum zwölf Zentimeter vom Scheitel bis zur Schwanzspitze, keine 13 Gramm nach dem Frühstück).
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