Hinter den blauen Bergen
Sonntag, 24. März 2019 0:18
Neben zwei kleinen Mädchen, die vergnügt ein Puschelhündchen gassiführen, warte ich auf Grün. An dieser Ampel müssen Fußgänger eeewig ausharren, denn sie ist, obwohl mitten in einem Wohnviertel, nicht für Menschen, sondern Automobile da. Die Mädchen vertreiben sich die Zeit mit dem Absingen eines Liedes, das ich seit gut vier Jahrzehnten nicht mehr gehört habe, und ich vergesse ein paar Sekunden lang zu atmen vor Staunen, daß Kinder immer noch diese Verse kennen: „Von den blauen Bergen kommen wir, unser Lehrer ist genauso doof wie –“
—Nein, ruft eins der Mädchen, das heiße nicht „doof“, sondern „dumm“. Die beiden probieren die alternative Version aus, aber das bringt sie derart aus dem Konzept, daß ihnen der dritte Vers nicht richtig einfallen will: „Mit der Brille auf der Nase … auf der Nase so ein Hase …“ Sie merken, daß es nicht weitergeht und kichern im Kanon. Meinetwegen? Die lachen doch nicht über mich?! Ich schaue zu ihnen hinunter, und sie sehen einander an, die hübschen Fratzen rosé vor Fröhlichkeit. Ob sie mich überhaupt wahrnehmen?
Abteilung: Inside "Abfall", Selbstbespiegelung | Kommentare (17) | Autor: Kay Sokolowsky