Rothkehlchen und Verwandte
Vor einigen Tagen auf dem Balkon; die Sonne rollt gen Feierabend. Plötzlich im Nordwesten aus heiterem Himmel ein Mäusebussard, in weiten Kreisen die teils grüne, teils betonierte Gegend inspizierend, fast an den Flatterwolken der Jet-Abgase kratzend, alle Viertelminute nach Gefährten rufend und den verflixten Krähen drohend, im melancholischen Tonfall seiner Art. Zum Glück das passende Buch auf dem Schoß, hineingeblättert und dies gefunden:
Wie er fliegt, wie er fliegt. Wer ihm nicht die Gunst erwiese und ihn schmähte gar, der sündigte. Wer sein Fürsprecher nicht wäre. Wer sich nicht für ihn verwendete. Wer ihm Freunde nicht würbe.
—Oder neulich. Lachsrotes Dämmerlicht, abermals auf dem Balkon. Einer Kohlmeise zugesehen und immer respektvoller zugehört. Knapp 15 Meter Luftlinie entfernt sitzt das Tierchen in der kahlen Buchenkrone, mit gehörigem Sicherheitsabstand zu einer Elster (die sich aufplustert im kühlen Wind und vielleicht wie ich bloß lauschen will). Die Meise ruft „Erster erster!“ in die Umgebung, und es scheint, als könnte sie die Grundrechenarten: Der Doppelton erschallt erst zwei-, dann drei-, dann viermal. Anschließend geht es mit zwei Meldungen von vorne los, diesmal aber steigert sich die Serie bis zum fünfmaligen Schlag.
—Auf diese Art geht es mehrereiMinuten lang weiter, bis die Kohlmeise sich zu sieben Wiederholungen hinaufgearbeitet hat. Die Rufe sind unfaßlich scharf und stark für ein so winziges Geschöpf (kaum zwölf Zentimeter vom Scheitel bis zur Schwanzspitze, keine 13 Gramm nach dem Frühstück).
—Irgendwann merke ich, daß der Sänger in die Motivserie ein Crescendo einbaut, ein Anschwellen der Phonstärke bis zum vierten Doppelton, mächtiger kann (oder mag) der „Meisenmann“ (Helge Schneider) nicht. Zu meinem weiteren Glück beim Lauschen liegt das vorzügliche Buch auf dem Tisch, und darin lese ich, meine vielleicht zu überschwengliche Bewunderung, meine Andacht zu dämpfen:
Gewiß, man muß hier fair und sachlich bleiben und sollte sich vorderhand nicht daran stören, daß das arterhaltende Getöse der Meisen in vielerlei Alltagssituationen nicht brauchbar und daher unerwünscht ist. Es wäre diesbezüglich gleichwohl angeraten, etwas mehr auf die Sittsamkeit zu achten, auf Zurückhaltung, Dezenz, so Sachen.
Ich erwäge, dem weiter wacker vom Hochsitz das Viertel beschallenden Wesen die Passage vorzulesen und derart etwas zu denken zu geben. Aber erstens ist der Töser zu weit weg, und zweitens stinkt meine Stimme gegen seinen klirrenden Kraftlaut mächtig ab. Also klappe ich das Buch wieder zu und freue mich übers Titelbild, das eine Meise (Blau-) zeigt, in aller Ruhe und Niedlichkeit vom Großmeister F. W. Bernstein gezeichnet. Der im Kapitel über diese Vogelfamilie übrigens dito einen Rüffel erhält:
Der Symbolwert des Trivialitätsvogels geht voll gegen null, als „Bedeutungsträger“ (F. W. Bernstein) ist die Kohlmeise ein Totalausfall. „Auf der Meise ruht der Segen!“ dröhnt daher Dichter, Tierzeichner und Sinnzerstörer Bernstein, der es sich zur Gewohnheit gemacht hat, sich am „gottlosen Himmelsgeflügel“ zu delektieren. So, so, den rufen wir morgen an, der kriegt ein saftiges Moralständchen dargebracht.
Ich aber sänge dem Künstler gern ein Exsultate, Jubilate! für die Preziosen, die er diesem Buch spendiert hat! Wie er den Vogel Star als echten Superstar kenntlich macht, wie er das Geplärr einer Sperlingsbande in Strich und Farbe verwandelt oder wie er Spechten, diesen besessenen Heimwerkern, Schutzhelme aufsetzt – es ist nicht angemessen zu beschreiben, aber unbedingt zu sehen, zu bestaunen. Ich flötete Bernstein so gern eine Eloge, die mindestens, um seinem Genie gerecht zu werden, halb so schön wäre wie das Lied einer Meise!
—Der Signalgast im Baum hat nun übrigens keine Lust mehr und flattert davon. Die Elster bleibt fett hocken. So sind sie halt:
In die Elster ist ein nicht zu tilgender Malus eingebaut, sie trägt ein dickes pechschwarzes Minus auf dem Scheitel. Eine Welt voller Elstern ist zum Teufel. Schon der Heiland sprach: „Du, Elster, wirst […] von allen verachtet werden“, du schlampiges, schwarzmagisches Stück Unheil!
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Die Kritik der Vögel von Jürgen und Thomas Roth ist beglückend, bestrickend und dramaturgisch ganz schön raffiniert aus Schwärmerei und Komik, aus Wehmut und kaltem Zorn gebaut, ist Prosa, die von Herzen kommt und Herzen öffnet, ein Werk der Liebe, das nicht mal tut, als wäre es sachlich (obschon es stets bei seiner Sache ist), als wollte es dem Titel platt gerecht werden, als könnten Männer von so hohem Verstand und so tiefem Gemüt dergleichen bierernst meinen (sie streuen reichlich Hinweise, daß sie etwas ganz anderes, nämlich Poetisches bewegt):
Um so dringlicher erscheint eine transzendentalbiologische Kritik der Vögel, die an Hand geistig-physiognomischer Fallstudien und an Hand von Porträts der wichtigsten, wuchtigsten und winzigsten Arten für Übersicht sorgt und Bilanz zieht; eine kritische Bestandsaufnahme, die mit klaren Urteilen nicht spart und dort, wo es angebracht und gefordert ist, Remedur schafft; und die sich demzufolge bewußt in die Tradition der Kritik der praktischen Vernunft, der Kritik der ornithologischen Ökonomie und der Kritik der politischen Ornithologie stellt.
„Klare Urteile über Kleiber, Adler, Spatz und Specht“ verspricht auch der Untertitel des mit wohlgefüllten 320 Seiten immer noch viel zu schlanken Buchs (I‘ wi‘ mä ham!), und mit deutlichen Worten geizen die Autoren beigott nicht. Die Möwen kriegen bereits im Vorwort ihr Fischfett weg:
Möwen sind grundsätzlich futterneidische, skrupellose, hundsgemeine, vielleicht fluchwürdige Tiere, falsche Luder sind sie auf jeden Fall. […] Zwischen den Möwenarten muß man nicht differenzieren, sie sind allesamt inakzeptabel.
Wo käme ich hin, dem zu widersprechen? Zum schlechten Benehmen dieser Viecher habe ich ja sogar mal gereimt (nämlich hier).
—Die Geflügelten kriegen gelegentlich generell auf den Schnabel:
Eine Vielzahl von Vögeln verhöhnt andere Vögel.
Von wegen „Himmelswesen“ also, ist doch ein Hohn auf das Himmlische! Wie dito der Papagei belegt:
Die sich wie Höflinge pudernden Vögel schimpfen, krächzen, meckern und mischen sich in allerlei menschliche Obliegenheiten ein, stören beim Skifahren und beim Kaffeetrinken, plündern Salztröge und Lehmkuhlen, strotzen vor Abenteuer- und Actionlust, sind über Gebühr am Uz interessiert und seien „wahre Umweltingenieure“ (irgendein ZDF-Film).
Andererseits hat Friedrich Engels – ja, der Marx-/Engels-Werkausgaben-Engels! – über den Papagei geschrieben (und allein fürs Aufspüren dieses Zitats sollten die Herren Roth ein üppiges Stipendium der Rosa-Luxemburg-Stiftung erhalten):
[Doch] sind die Vögel die einzigen Tiere, die sprechen lernen; und der Vogel mit der abscheulichsten Stimme, der Papagei, spricht am besten. […] Man lehre einen Papagei Schimpfwörter, so daß er eine Vorstellung von ihrer Bedeutung bekommt (ein Hauptvergnügen aus heißen Ländern zurücksegelnder Matrosen); man reize ihn, und man wird bald finden, daß er seine Schimpfwörter ebenso richtig zu verwerten weiß wie eine Berliner Gemüsehökerin.
Und um unser Hauptvergnügen zu runden, machen wir jetzt eine zweite Pause und hören dem Papageien Einstein zu, der seinen Namen ziemlich zu Recht trägt und sogar gute Manieren hat, zumal beim Trinken, ich sollte besser sagen: Verkosten. Vermutlich kennt er keine Matrosen (Einstein the Parrot lebt im Cowboystaat Texas):
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Nicht allein der Engels-Ausspruch ist eine Entdeckung; Thomas und Jürgen Roth haben aus Megatonnen ornithologischer Literatur und Hochgebirgen von Filmen und Zeitungsartikeln zielsicher die passenden oder peinlichen, hinreißenden oder gräßlichen Zitate extrahiert – der Fleiß, der dem Manuskript vorausgegangen ist und seine Niederschrift begleitet hat, gebietet Ehrfurcht, obgleich die Autoren selbst ihr ungeheures Pensum verschleiern. Indem sie nämlich manche Zitate erfinden oder aus Quellen schöpfen, die mit dem Thema nicht mal von fern zu tun haben (etwa aus dem Spielfilm „From Dusk Til Dawn“).
—Das könnte Leser abschrecken, die das Lesen nur rudimentär beherrschen, die unter einem Text die Aneinanderreihung von Wörtern verstehen und sonst nichts wollen, deren Gehirn schlicht überfordert ist, wo es doppel- bis dreideutig wird, wo die Sprache ihre eigenen Spiele treibt, wo das Ekstatische und das Parodistische, die plane Beschreibung und der höhere Nichtsinn ohne Warnung changieren, einander ergänzen oder subtil den Unfug, mit dem nicht wenige Vögel den Beobachter ergötzen, in glänzenden Quatsch überführen, etwa hier, beim Kalifen Storch:
„Der Adebar von Addis Abeba“ – das wollten wir schon seit längerem mal in ein Buch hineinschreiben.
—Voilà.
Und hier:
Hab acht, Habicht!
Oder dort, beim Sperling, makellos in Komposition und Konstruktion, bei allem spatzenartigen Gefasel:
Selbst vor dem Zu-Bette-Gehen wird, des „Geredes“ (Heidegger) nie überdrüssig, auf dem gesamten Anwesen vernehmbar gestritten, die Feuerköpfe (fränkisch Feierspotz‘n) knallen sich gegenseitig derbste Unverschämtheiten vor den schwarzen Latz, so daß sich manch gepeinigte Bauersfrau, obgleich guten, warmen Gemüts, genötigt sieht, mit dem Rohrstock dazwischenzugehen (daher Rohrspatz) und in all den unsortierten Haufen in sämtlichen Winkeln der Liegenschaft vorläufig für Ordnung zu sorgen.
So kann nur phantasieren und formulieren, wer sich aus dem Anlaß mehr als bloß was macht, wer das, jawohl: Glück, das die Beobachtung des realen Spatzen in ihm erzeugt, in seiner, jawohl: Dichtung spiegeln will. Und wie die Roths den kleinen Sabbelkopp lieben!
Im übrigen ist ein Spatz, der sich, Filmaufnahmen belegen es, an seinem Ebenbild in einem Autorückspiegel nicht sattsehen kann, das Köpflein leicht zur Seite geneigt, die schwarzen Augenperlen schimmern teichtief fein, ein herzerwärmender, ein herzzersprengender Anblick.
Vorbilder für ihre durchaus unspröde, lebendige, in klassischer Weise sentimentalische Prosa haben sich die Roths in den beiden bedeutendsten Tierschriftstellern der deutschen Literatur erwählt, dem weltberühmten Alfred Brehm und seinem leider so gut wie vergessenen Vorgänger Johann Friedrich Naumann – der Wikipedia-Eintrag über Naumann ist von schändlicher Kürze, doch die Schande liegt zur Gänze beim Publikum. Diesen ornithologischen Pionier gleichwie brillanten Erzähler haben die Autoren für unsere Zeit, man muß es so sagen, wiederbelebt, und dafür wäre ein weiteres fettes Stipendium fällig, diesmal vom NABU z. B.
—Es ist freilich zu bescheiden von den Herren Roth, daß sie sich in der Schlußdanksagung vor Brehm und Naumann so tief verbeugen: „Riesen mit Schultern, auf die man nie hinaufkommt“. Nun, „man“ kommt da tatsächlich nicht mal mit einer Leiter hinauf. Die Kritiker der Vögel hingegen schon, denn sie sind auf Augenhöhe. Was sich etwa im Rothschen Lob des Kleibers nachweisen läßt:
Kundig in dem, was er tut, geschickt und gewandt, ein gutgelaunter Arbeiter im Weinberg des Herrn und fröhlicher Rufer im dunklen Tann, vorlauter Kerl und Leisetreter, Blaumann und Rotkehlchen, Feingeist und Haudrauf, Kerbtiergreif, Rindenmeis‘ und Pfeifenspecht, Heimwerker, Kletterkünstler, Kopfübervogel.
Und weil Sie vielleicht nicht wissen, wie kühn und keck der Zorro unter den Vogel-des-Jahres-Vögeln aussieht, zeige ich Ihnen jetzt einen meiner Lieblingskaffeebecher (nur sonn- und feiertags in Betrieb!), gewähre eine kleine Pause zur Betrachtung und bin gleich wieder da mit weiterem Lob, traumschönen Zitaten und einem Fazit, das Sie sich hinter die Ohren oder auf den Einkaufszettel schreiben können.
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Meine Freude, meine Seeligkeit bei Lektüre der Kritik hat auch damit zu tun, daß die Herren Roth auf das Leben und seine mannigfachen Ausformungen einen ähnlichen Blick werfen bzw. winkeln wie ich. Der Gedanke, der zankende Saatkräher hier, der in Zeitlupe tanzschreitende Graureiher da seien nicht mehr als Blackbox-Automaten, ist den Autoren ekel wie mir, und sie vermögen ihren Abscheu sogar zu begründen. Um anschließend, etwa beim Pirschen ans magnifizente Rotkehlchen, solche Sätze zu formen:
Aber was uns das Rotkehlchen vorträgt, ist eine Ahnung vom Üblen in dieser Welt, vom Ende der Unschuld, vom Verlust der Kindheit, von der Brüchigkeit des Zutrauens, der Bedrohung des Friedens und nachhaltiger Forstwirtschaft. Letztlich ist es, mit Alfred Brehm zu reden, „unser Abendrot“, welches die Brust des Rotkehlchens färbt. Aus seiner Kehle singt es: Vanitas, Vanitas.
Guck!, denke ich, ähnlich metaphysisch habe auch ich einmal über einen Robin (der eigentlich Lothar heißt) geschrieben, doch bei mir wurde das zum Märchen, bei den Roths ist es Gedankenlyrik.
—Selbstverständlich bin ich befangen wie nur einer, wenn ich Erzeugnisse verhandele, an denen mein alter Freund und Kompagnon Jürgen Roth mitgewirkt hat. Doch gleicherweis selbstredend hätte ich mit dem Manne nie kompagniert sein wollen, wäre er nicht so gescheit, so sprachgewitzt, solch ein Ausbund an Empfindsamkeit und gerechter Grobheit. Daß Bruder Thomas ihm nicht nachsteht, wußte ich wohl schon und bin doch verblüfft zugleich und entzückt, wie die beiden zu einer Stimme amalgamieren, wie schwer unterscheidbar sie sind in den diversen Kapiteln und wie anrührend sie, scheinbar en passant, ihr Buch über die verehrten Flügeltiere für autobiographische Anekdoten aus einer idealgeschwisterlichen Kindheit nutzen. Dies ist, wie erwähnt, ein Werk der Liebe, und in der Familie Roth muß es davon beneidenswert viel gegeben haben und geben – lesen Sie bitte den letzten Satz vor dem Impressum. Nein, ich zitiere ihn hier nicht, Sie sollen die Kritik der Vögel schließlich kaufen. Sollen? Müssen! Sofern Sie zum Thema auch nur ein bissel mehr als ein kulinarisches Verhältnis haben.
—Befangen, zugegeben, bin ich als Kritiker der Kritiker der Vögel auch, weil ich auf Seite 180 beifällig zitiert werde mit einem meiner besseren Kalauer. Es erfüllt mich mit einigem Stolz, auf diese Art in diesem vorzüglichen Buch verewigt zu sein. (Ich hätte auch auf andere Art darin Platz nehmen können, aber das habe ich eigenhändig versemmelt; und inzwischen glaube, nein, weiß ich, daß es so besser war.) Doch derart befangen, meine Meinung nach meiner Freundschaft oder Eitelkeit und nicht nach meinem Vergnügen auszurichten, war ich – denke ich – noch nie.
—Bevor Sie, geschätzte Leserin, werter Leser, jedoch glauben, ich hätte gar nix zu mäkeln an der Roth-Kollaboration, kommen nun doch ein oder anderthalb Mäkeleien. Die halbe hängt mit folgendem Absatz zusammen:
Wer ihren [der Singdrossel] von einem hohen Ast vorgetragenen Abendgesang hört, den Wechsel von Flöten, Pfeifen, Trillern, Schnalzern, eine Andeutung von Arie, dann metallischer Wirbel, drei Töne eines gefühlvollen Liedes, abgelöst von einem Fanfarenstoß, der kann nicht glauben, daß der Urheberin so gut wie keine Poeme oder symphonische Dichtungen gewidmet sind.
Das stimmt so nicht! Der „smarte“ Dr. J. Roth hat mir zwar wiederholt versichert, ein aufmerksamer Student des „Abfall“ zu sein, aber eines der herzinnigsten Stücke darin, „Endlich Sommer!“, ist ihm entgangen. Dott. Jürgen R. muß sich jetzt nicht genieren. Aber eine Korrektur in den kommenden Ausgaben wäre nett. N‘est-ce-pas?
—Wie alles Menschenwerk ist auch Kritik der Vögel nicht vollkommen. Daß es viel zu kurz ist, habe ich bereits erwähnt. Es fehlt mir einer meiner Liebsten, der Dompfaff (und seine treue Wirtschafterin), und mehr noch vermisse ich ein Register. Ob dies und jenes in der – kulturhistorisch geradezu gebotenen – zweiten Auflage stehen könnte? Ich wäre gewißlich nicht der einzige dankbare Empfänger.
—Auf die Platznot weisen die Autoren selber bedauernd hin, darum sollen sie für Entfallenes bestimmt nicht gescholten werden. Die Druckbogengrenze ist bekanntlich das einzig Endliche im Universum, von der menschlichen Intelligenz abgesehen, wie Einstein vermutete (nein, nicht der Papagei).
—Ein paar Fehler sind mir aufgefallen, aber auch nur deshalb ins Auge gegangen, weil das Werk so sorgfältig, ja, penibel gearbeitet ist, wie unsereins es im akuten Digitaldruckgewerbe mit seinen Rohsatzbroschüren praktisch nicht mehr kennt. Gegen ein oder zwo Bier will ich den Dichtern verraten, wo sich die (marginalen!) Abzüge in der A-Note verstecken. – Ach, Käs!, es sind so vorbildlich wenige Mängel, daß ich mit einem von den Autoren signierten Bierdeckel aus Neuendettelsau hochzufrieden wäre.
—Seit einigen Tagen kommt in der schüchtern knospenden Buchenkrone ein Rotkehlchen zu Besuch, übt auf dem zweithöchsten Ast Koloraturen und Triller und läßt die Brust nur so glühen. Ein paar Meter tiefer rupft ein Elsternpärchen zarte Zweige aus der Buche und stopft sie ins fast komplette Rockernest. Der Beobachter auf dem Balkon möchte schmelzen.
—Deshalb – mögen die düsteren Aussichten im Nachwort zur Kritik der Vögel keine Realität werden! Und möge dies trotz allem tröstliche Buch dazu beitragen, daß eine irr gewordene Primatenart sich besinnt!
—Und Sie, theures Publikum, notieren sich nun, bitte, dies in der To-buy-list:
Jürgen Roth & Thomas Roth
Kritik der Vögel. Klare Urteile über Kleiber, Adler, Spatz und Specht
Mit Illustrationen von F. W. Bernstein
Blumenbar/Aufbau, Berlin 2017.
320 Seiten, 24 Euro.
Es wird, ischwör!, Ihr Schade nicht sein.
Donnerstag, 30. März 2017 12:11
Wer das Buch nach dieser hymnischen Kritik nicht kauft, hat ein Herz aus Stein. Gleich mal den Buchhändler im Nachbarort darüber informieren, daß er in dieser Woche wahrscheinlich ein Buch verkauft.
Und: Sollte ich dem Beispiel meines Landsmannes Theodor Fontane folgen und eines Tages als Altersschriftsteller reüssieren, bestehe ich auf einer Rezension meines Erstlings von Ihnen, sehr verehrter Herr S.!
Und wenn sich vorher Frau Alzheimer in meinem Kopf einquartiert? Ich verspreche also lieber nichts. Aber ich danke Ihnen sehr für Ihr gewichtiges Kompliment – und freue mich, Sie rumgekriegt zu haben, das schöne Buch zu erwerben. KS