Aphone Aphorismen (4): Worte verlieren

An den Fluß gehen und eine Flaschenpost hineinwerfen, die man an sich selbst adressiert hat: Das dürfte das Merkmal großer Dichtung sein in einer Zeit, die erstickt unter der Last des Gedruckten und Gebloggten, die vor lauter Ansprache taub ist, die ihre entsetzliche Flüchtigkeit durch die Verschriftlichung noch des dümmsten Mumpitz zu bannen versucht. Versänke die Flaschenpost auf ihrem Weg vom Absender zum Absender, käme die Menschheit vielleicht um ein millenares Meisterstück. Aber welch ein heroischer Untergang das wäre! Zu dichten, ohne je einen Leser zu finden, ist selbstverständlich keine Heldentat, sondern der Normalfall. Aber das Risiko, nie gelesen zu werden, mit großer Geste herausfordern, es der Gefahr vorziehen, vom falschen Publikum belästigt zu werden: Das hat Stil. Und den muß einer schon besitzen, wenn er das Schreiben ernsthaft betreibt.

Nachschrift. Was jedoch, wenn ein unglaublicher Zufall dem Dichter eines Tages die Flasche mit seinem Werk vor die Schuhe spült? Interessiert ihn, alt und verdrossen geworden, der Schmarren seiner Jugend dann überhaupt noch? Oder schmeißt er die Buddel zurück in eine Strömung, mit der er noch nie etwas zu tun haben wollte? Man sollte einen Roman darüber schreiben. Und ihn sofort nach Abschluß verbrennen.

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