Auch …
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Mitten in einem längeren Stück für die Februarausgabe von Konkret über Pegida und die Nutzlosigkeit, mit Pegidazis zu diskutieren, erfahre ich von dem Massaker in der Redaktion von Charlie Hebdo.
—Abscheu vor den Mördern und Grauen angesichts ihrer Tat mischen sich mit Ohnmacht. Und schlechtem Gewissen. Habe ich, als ich vor sechs Jahren das Buch Feindbild Moslem schrieb, eine Gefahr verharmlost? Und eine Religion schön geredet, die immer wieder und immer öfter solche Proselyten zeugt – Blutsäufer, Folterknechte und Judenhasser, Menschenfeinde durch und durch –?
—Ganz so dumm war ich nicht Dies steht auf den Seiten 60 und 61:
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Der Islam, kein Zweifel, polarisiert, erregt, verängstigt, und das hat nichts mit der Perspektive zu tun, sondern mit ihm selbst. Wie alle offenbarten Religionen liefert er für Barmherzigkeit und Gewalt gleich viele und starke Rechtfertigungen. Und wie alle Gläubige, die sich auf eine Offenbarung berufen, sind auch Muslime anfällig dafür, sich als Eigner einer alleinseligmachenden Wahrheit zu fühlen und jeden zu verachten, der ihre Wahrheit nicht teilt. Deshalb stehen sie im Visier jener Schriftausleger, Imame, Ajatollahs, die religiöse Inbrunst mißbrauchen, weil sie sie politisch ausnutzen wollen. Diesen Verführern zu widerstehen, fällt je schwerer, je erbärmlicher der soziale Status, je hoffnungsloser das Leben des Gläubigen und je geringer sein Wissen ist. Für die Mordlust, den Antisemitismus und die Selbstgerechtigkeit fundamentalistischer Muslime gibt es eine Menge Erklärungen, und viele liefert der Koran. Eine Entschuldigung dafür sind Armut und Religion aber nicht. Selbst unter der Tyrannei von Talibanen muß ein Mensch nicht zwangsläufig zum Killer, Judenhasser oder Sadisten werden (und er wird es meistens auch nicht). Dem mörderischen Gebrüll der Prediger nicht zu widersprechen, ihren brutalen Exegesen gar zuzustimmen, bedeutet, das Morden ganz allgemein zu billigen; die meisten Muslime wissen dies.
—Unstreitig, leider, gefällt es vielen, die Allah anbeten, mit Feuer zu missionieren, Frauen zu kujonieren, Ungläubige zu bombardieren. Wer den Koran als Handbuch für einen Heiligen Krieg und die Unterdrückung der Frau lesen will, der wird darin finden, was er sucht. Die Borniertheit und Militanz des islamischen Fundamentalismus wäre gar nicht denkbar ohne die Buchstabentreue der Islamisten zum Wort des Propheten – das heißt, zu den Worten, die ihre totalitäre Ideologie rechtfertigen. Das fromme Leben, das die Islamisten verordnen, schmeckt allerdings nicht jedem Muslim: Darum müssen gerade die Staaten, in denen die Scharia herrscht, einen monströsen Polizei- und Spitzelapparat aufbieten, um ihre Untertanen in Schach und von all den Versuchungen fernzuhalten, die nur deshalb welche sind, weil die Frömmler sie als Sünde verdammt haben – Lippenstifte zum Beispiel, kurze Röcke und Rockmusik oder Salman Rushdies Satanische Verse.
—(…) Wer den Islamismus als zwingende Konsequenz aus den Suren des Koran betrachtet und nicht etwa als die mörderische Ideologie, welche die Islamisten daraus gemacht haben, der bestätigt nur ihren Anspruch, als einzige die „Wahrheit“ des Koran zu kennen.
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Ein schlechtes Gewissen muß ich wohl nicht haben. Aber der Abscheu bleibt. Das Grauen. Und die Ohnmacht. Die Ohnmacht.
—Zwölf tote und vier schwerverletzte Kollegen. Abgeknallt dafür, daß sie sich über religiöse Fanatiker – diese Feinde des Menschengeschlechts seit Menschengedenken! – lustig gemacht haben. Meine Kollegen von Charlie Hebdo haben Djihadisten weder beschossen noch gefoltert oder denunziert, sondern bloß, und völlig zu Recht, verarscht.
—Und allein dafür, für gute Witze, wurden meine Kollegen ermordet? Dafür?! – Was soll, was kann ich da noch schreiben?
—Vorerst bloß das Nächstliegende, das unbedingt Gebotene:
—Ich bin Charlie.
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Bild/Collage: Charlie Hebdo/Daily News
Donnerstag, 8. Januar 2015 3:23
Lieber Kay — „Feindbild Moslem“ war ein wichtiges, richtiges Buch — und
bleibt es auch, solange es rassistische Pegida- und PI-Arschlöcher gibt. Die Morde in Paris geben denen nicht recht. Die sind auf jeden Fall nicht Charlie, ganz und gar nicht. Yours, Sönke