Brot für meine Welt
Seltsam … Auf kein Buch, keinen Aufsatz, keine Glosse, keinen Aphorismus war ich je so uneingeschränkt stolz wie vorhin auf das, was meine Hände aus Mehl, Wasser und Zutaten kneteten. Oder vielleicht nicht stolz. Sondern, besser: mit mir im Reinen. – Seltsam. Oder vielleicht nicht.
—Ein Brot kannste essen, ein Buch bestenfalls verschlingen. Literatur macht keinen Bücherwurm satt. Bloß hungriger.
—Dies die puritanische Vorrede zu einem puren Food-porn aus meinem Küchenstudio. Geht heftig los:
Vorabend (Biga):
3 gestr. EL Betriebssauerteig (Eigenzucht)
50 g Roggenschrot
50 g Dinkelschrot
50 g Roggenmehl (fein)
50 g Weizenmehl (Typ 1050)
250 ml lauwarmes Wasser
—12 Stunden Gärung bei 20 bis 30 Grad Celsius.
Backtag:
—3 gestr. EL fermentierten Vorteig abschöpfen und mit dem Betriebssauerteig (Eigenzucht) verrühren
—5 gestr. EL Leinsamen mit kochend Wasser überbrühen; 10 Min. quellen lassen
—Gärkorb säubern, danach mit frischer Maisstärke einreiben
50 g Buchweizenschrot
Leinsamen
4 gestr. EL Mehrkornflocken
1/2 TL Brotgewürz (Reformhaus)
2 gestr. TL Salz
4 EL Kürbiskerne
400 g Roggenvollkornmehl
150 g Dinkelvollkornmehl
400 ml lauwarmes Wasser
—Teig 10 min. kneten. Danach Gärung in Körbchen mit halbwegs luftdichter Plastiktütenumhüllung: 3 1/2 bis 4 Stunden.
Backstunde:
—Backstein 1/2 Stunde lang bei 200 Grad Celsius erhitzen
—Jetzt Backofentemperatur auf 240 Grad Celsius erhöhen
—Gärkorbteig auf heißen Backstein stürzen. 10 min. bei 240 Grad Celsius rösten. Ein wassergefülltes Eierbecherchen in die Röhre stellen: Der Dampf aus dem Becherchen sorgt für Knusprigkeit der Kruste.
—Ofentemperatur auf 200 Grad Celsius reduzieren. Brot 35 min. lang weiterbacken. 10 oder 5 min. vor Backfinale den Eiernapf aus der Röhre entfernen.
—Et voilà:
Ich schreibe seit bald drei Jahrzehnten professionell. Aber in meiner Verkleidung als Bäcker fühl ich mich wohler als mit so gut wie allen meinen veröffentlichten Texten. Seltsam!
—Diese Anekdote hat keine Moral. Sie ist bestenfalls ein guter, feenhafter Wunsch für meine werten Leserinnen und Leser. – Kommen Sie, bitte, rund durchs Jahr!
Samstag, 6. Januar 2018 9:49
Um es mit Rebers zu sagen: Brot für die Welt, die Wurst bleibt hier! Guten Appetit.
Danke! Schmeckt übrigens mit Käse am besten, das Brot. KS
Samstag, 6. Januar 2018 10:05
Frohes Neues, herzlichen Glückwunsch und guten Appetit! Ich müßte auch mal wieder Brot backen. Habe ich früher öfter gemacht und kann die tiefe Befriedigung bestätigen, die man dabei empfinden kann. Allerdings habe ich nur mit Hefe gebacken, an so eine aufwendige Sauerteigrezeptur habe ich mich nie herangetraut.
Vielen Dank für die guten Wünsche! – Es ist übrigens nicht schwerer, mit Sauerteig als mit Hefe zu backen, es dauert bloß länger. Der größte Aufwand gilt übrigens – Sie kennen das ja – der Küchen- und Gerätereinigung. Vielleicht sollte ich DAS mal photographieren. Ist allerdings knifflig mit mehlverklebten Fingern. KS
Sonntag, 7. Januar 2018 8:17
Einerseits (B. Brecht):
Und weil der Mensch ein Mensch ist,
drum braucht er was zu essen, bitte sehr!
Es macht ihn ein Geschwätz nicht satt,
das schafft kein Essen her.
Andererseits (Matthäus 4,4):
Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.
Weiterhin die weitestgehende Abwesenheit von Geschwätz im „Abfall“ wünsch ich mir und dem Herrn des Blogs und all seinen Lesern und Kommentierern fürs neue Jahr.
PS.
Möge dir jegliches Backwerk auch fürderhin wohl gelingen – panem et litteris!
Vielen Dank, lieber Kai! Auch im Namen meines Publikums. KS
Sonntag, 7. Januar 2018 12:31
Fabian Strobel: Als Tierschützer und Vegetarier heißt es für mich, „Brot für die Welt, aber die Wurst bleibt Tier.“
„Brot statt Böller“ sollen früher einige falsch verstanden haben, denn selbst nach mehrfachem Anzünden wollten die alten Brote nicht explodieren.
Der ist aber noch älter als das erwähnte Brot. Kalauer Nr. 1 dagegen gefällt mir. KS
Dienstag, 9. Januar 2018 10:12
Ein Laib Brot, wunderbar! Wenn man so etwas geschaffen hat, muß man sich einfach gut fühlen. Auf der Suche nach genau so einem Brot wurde mir gesagt, der zeitliche Aufwand sei der Grund, daß es so etwas heute kaum noch gibt … Danke für das Rezept. Aber wie züchtet man Betriebsauerteig?
Der Blogger meinte natürlich Sauerteig, wollte sich aber wichtig tun. Von „Züchtung“ schreibt er, weil beim Herstellen des Sauerteigs Hefe und andere Pilze zu stattlichen Populationen hochgepäppelt werden.
Der Admin