Götzinnenverehrung
Donnerstag, 3. November 2022 0:03
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Beim Stochern im Haufen alter Schriften fiel mir auf, daß ich immer wieder mit Nullen abgerechnet habe. Denn die bourgeoise Welt ist voll solcher Nichtsnutze. Eine Politikerin zum Beispiel, die ich zum Fressen, bis ich kotze, gern hab’, hätte es fast in mein „Nullenquartett“ geschafft, mußte aber im Stapel bleiben, weil ich eine reine Herrenrunde brauchte.
Nun hätte „Abfall“-Kundin Tiffany Aching sich etwas wünschen dürfen, aber aus Gründen, die ich nicht kenne, hat sie darauf verzichtet. Ein anderer Kunde, der mich – sehr nett – per E-Mail überfiel, aber namenlos bleiben will, hatte hingegen einen Wunsch – und, siehe!, er galt der Frau, die sich in ihrer Nullität vor keinem Mann verstecken muß und deshalb beinahe im Quartett gelandet wäre. Und weil mir heute nach Wunscherfüllung ist, tu ich dem anonymen Leser den Gefallen, der sonst verfallen wäre. Zumal mir der Wünscher verriet, er sei mal in das Objekt meiner Gemeinheit „verliebt“ gewesen – „na ja, so von fern und nur so ein bißchen“.
Das gleich folgende, halbsatirische Porträt enstand an einem backsteinheißen Augustwochenende, doch man merkt der Sache, glaube ich, den Schweiß nicht an, den ich beim Tippen vergoß. Für die Neuauflage habe ich ein paar Sätze reanimiert, die bei der Erstveröffentlichung in KONKRET 9/2020 platzhalber auf der Strecke blieben. Nachdem ich eine Handvoll stilistischer Unzulänglichkeiten aufpoliert habe, ist dies jetzt bzw. jetzt erst recht ein, um es althamburgisch zu sagen, ßtarkes ßtück.
K. S.
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Die Weinbergschnecke
Ach Julia! Ist deiner Freude Maß
Gehäuft wie meins und weißt du mehr die Kunst,
Ihr Schmuck zu leihn, so würze rings die Luft
Durch deinen Hauch.
Shakespeare
When I cannot sing my heart
I can only speak my mind, Julia
The Beatles
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Julia Klöckner ist nicht zu stoppen noch zu toppen.
—Gewiß, die Konkurrenz im Kabinett bemüht sich nach Kräften. Da waltet zum Beispiel ein Verkehrsminister, der aberhundert Millionen Euro versenkte, weil er überzeugt war, daß der Europäische Gerichtshof mit CSU-Spezln genauso verständnisvoll umgeht wie die Richter in Bayern. Der Chef des Gesundheitsministeriums hat nicht nur zu Beginn der Corona-Pandemie umfassend versagt, er möchte auch unbedingt die Patientendaten von 73 Millionen gesetzlich Versicherten an die Industrie verschenken. Der Außenminister wiederum hat es sich zum Ziel gesetzt, die Entspannungspolitik seines Parteiheiligen Willy Brandt auf keinen Fall zu wiederholen und jeden Putsch gutzuheißen, bei dem die CIA mitmischt. Nicht zu vergessen der Finanzminister und Möchtsogernkanzler, der es für seinen Auftrag zu halten scheint, Steuer- und Bilanzbetrug jenseits der Milliardengrenze bloß nicht zu ahnden.
Abteilung: Director's Cut, Kaputtalismus, Unerhört nichtig | Kommentare (3) | Autor: Kay Sokolowsky