Archiv für die Abteilung 'Zeuge der Geschichte'

Nie wieder Frieden

Sonntag, 12. November 2017 22:17

Laß deinen Kanzler, deine Diplomaten
durch dieses Meer von Blut und Tränen waten!
Fluch, Kaiser, dir und Fluch auch deiner Brut,
hinreichend Blut, ertränk sie in der Flut!

Karl Kraus: Die letzte Nacht (1917)


Einerseits.
Am 10. November stellten die Präsidenten Macron und Steinmeier sich hoch über die Gedenkstätte auf dem Hartmannswillerkopf
und weihten ein weiteres Museum jener „Menschheitsschande“ (Karl Kraus) ein, die Erster Weltkrieg heißt. Im Bulletin des Deutschlandfunks lese ich:

Steinmeier sagte […], das massenhafte Sterben an diesem Ort stehe für den Irrsinn des Krieges. Ursache des Übels sei der Irrglaube an die Überlegenheit der eigenen Nation gewesen.

Nein! du Null im Anzug – Ursache des Übels waren Kapitalismus und Imperialismus. Nationalismus diente vor allem der Dekoration.

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Abteilung: Die Spezies hat‘s verkackt, Kaputtalismus, The real pulse of Europe, Zeuge der Geschichte | Kommentare (11) | Autor:

Doktor Lügners Ehrentag

Dienstag, 31. Oktober 2017 0:00



Heute begeht die protestantische Kirche das 500. Jubiläum des Thesennagelns zu Wittenberg. Es ist der Höhepunkt des sogenannten „Lutherjahrs“. Obschon der 31. Oktober in vielen evangelisch dominierten Bundesländern seit langem kein gesetzlicher Feiertag mehr ist, geben heuer ausnahmsweise und bundesweit die Landesregierungen den Untertanen frei, „mit Blick auf die welthistorische Bedeutung der Reformation“ (Luther2017.de).

So erfreulich ein Mußetag stets ist – der Blick aufs Welthistorische usw. scheint der Regentschaft nur deshalb eine Pause von der üblichen Fron wert, weil sie in Luther vor allem den vorbildlichen Opportunisten schätzt, den Revolutionär, der ganz schnell abschwur, seine eigene Klasse verriet und ohne Zwang zum brutalen Apostel der Zwingherren wurde.

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Abteilung: Kaputtalismus, Man schreit deutsh, Zeuge der Geschichte | Kommentare (1) | Autor:

100 Jahr

Samstag, 21. Oktober 2017 23:59



Dizzy ist nicht nur ein Meistermusiker und der König der Trompete, er ist auch ein brillanter Mensch. Er sagt viele Dinge im Spaß, die einen enormen Tiefgang haben. Du kannst eine ganze Menge lernen, indem du ihm zuhörst. Nicht nur wenn er spielt, sondern auch wenn er spricht. Er kann dir viel sagen, wenn du gescheit genug bist, es zu verstehen.

Percy Heath

Am 21. Oktober 1917 kam in Cheraw, South Carolina, John Birks Gillespie zur Welt, eines der größten Genies des 20. Jahrhunderts, ein Solitär als Musiker wie als Komiker. Seinen Spitznamen „Dizzy“ – was „schwindelig“ heißen kann, „duselig“ oder „rammdösig“ – hatte sich Gillespie bereits als Junge erarbeitet. Bis zu seinem Tod trug der Mann den Witz mit Stolz und gab sich auch sonst Mühe, bloß nicht so ernst zu wirken, wie seine Kunst genommen werden muß.

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Abteilung: Musicalische Ergetzungen, Zeuge der Geschichte | Kommentare (1) | Autor:

Zeuge der Geschichte (14)

Montag, 21. August 2017 21:05

Als mir der Abgang Jerry Lewis‘ mitgeteilt wurde, schnitt ich eine Grimasse.

Einige Stunden später hörte ich im Deutschlandfunk das Kulturmagazin „Fazit“ und schnitt abermals eine Grimasse. Denn die Sendung eröffnete mit „Great Balls of Fire“ von Jerry Lee Lewis, und Moderator Eckhard Roelcke sagte anschließend, ein Komiker, der mit diesem „Rock‘n‘Roll-Hit von 1957 weltberühmt“ geworden sei, habe soeben das Zeitliche gesegnet.

Von solchen Verwechslungen lebt jede Komödie und für einen Lacher hatte der Verblichene, der leider gar nicht singen konnte, einst noch Peinlicheres riskiert. Insofern paßte die Eselei der „Fazit“-Qualijournalisten schon. Um so bedauerlicher, daß im Podcast der Sendung Roelckes lächerliche Ansage fehlt, das heißt, mit dem Notbeil tranchiert worden ist. Offenbar hat zwischenzeitlich die Putzfrau bemerkt, was der Schmock verbockte. Ich aber weiß jetzt, welches Kulturmagazin ich allen empfehlen kann, die vom bürgerlichen Feuilleton weder Kenntnis noch Ahnung erwarten und sich in diesem Vorurteil gern bestätigen lassen.

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Abteilung: Qualitätsjournalismus, Zeuge der Geschichte | Kommentare (7) | Autor:

Zeuge der Geschichte (13)

Montag, 31. Juli 2017 23:46

Als ich vom letzten Vorhang für Jeanne Moreau erfuhr, dachte ich, daß nie eine Schauspielerin in ihrer Verzweiflung so schön war wie sie in „Fahrstuhl zum Schafott“. Nie eine Darstellerin so würdevoll ihre Demütigung duldete wie sie in „Tagebuch einer Kammerzofe“. Nie eine Mimin so frei den Kummer der Liebe umarmte wie sie, für uns alle, ini„Jules und Jim“.

Und dann hörte ich mir an, was ihrer Affäre Miles Davis eingefallen war, als er Jeanne Moreau auf der Leinwand durch die taghelle Nacht von Paris hatte schreiten sehen, und ich wußte, daß mehr von ihr bleiben wird, als der Tod je rauben kann, viel mehr als die Verzweiflung, die Demütigung, der Kummer des letzten Endes uns glauben machen wollen. Madame Jeanne war, ist und sie bleibt Schönheit und Würde und Freiheit.

Pour nous:



Photo: „San Sebastian Film Festival Jeanne Moureau crop 2”,
by Oneras (Flickr: [1]) [CC BY-SA 2.0],
via Wikimedia Commons

Abteilung: Moving Movies, Zeuge der Geschichte | Kommentare (3) | Autor:

G20: Splitter und Kehraus

Montag, 10. Juli 2017 3:25

Da nich für

Das –

und das –

und das –

auch das –

und das –

– all das für das:

Auch inhaltlich hat das G20-Treffen nichts gebracht. Man kann es nicht anders sagen. […] Nicht einmal Donald Trump hat etwas gegen faire Handelsgeschäfte, solange sie nach seinen Bedingungen laufen. Und in Sachen Klimaschutz steht nach dem Gipfel von Hamburg auch nur fest: Alle machen mit, nur Trump verweigert sich. Das wußten wir schon vorher. […]
Welchen Sinn aber haben solche Treffen, wenn es – erstens – nur Scheinkompromisse in wichtigen Fragen gibt und wenn – zweitens – selbst diese dürftigen Ergebnisse noch nicht einmal bindend sind?
Damir Fras: „Fiasko statt Weltshow“, Frankfurter Rundschau, 8.7.2017

Und für dies, natürlich:

Dies alles für dies Nichts? Für dieses Aufsichtsratstreffen ohne Entscheidungsbefugnis, aber mit buntem Programm und nächtlichen Feuerwerken? Ich hab ja nichts, nichts Gutes jedenfalls, vermutet, aber wenn es dann kommt, und so dick vor lauter Nichts: fällt einem doch nichts mehr ein.

***

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Abteilung: Kaputtalismus, Man schreit deutsh, Stadtstreicherei, Zeuge der Geschichte | Kommentare (9) | Autor:

Die Gewaltbereiten, oder: Willkommen in HHell

Donnerstag, 6. Juli 2017 15:05


Eine Revue am Rande des Ausnahmezustands

Alle visuellen Beiträge zu diesem Posting verdanke ich meinem Freund Eberhard Kehrer und seinen hellwachen Augen.


Vorspiel

Der G20-Gipfel wird auch ein Schaufenster moderner Polizeiarbeit sein. Im Prinzip ist das ein Festival der Demokratie.
Innensenator Andy Grote,
Mitglied der SPD sowie des FC St. Pauli, 14.5.2017

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Abteilung: Kaputtalismus, Stadtstreicherei, Zeuge der Geschichte | Kommentare (0) | Autor:

Zeuge der Geschichte (12)

Freitag, 16. Juni 2017 19:30


Als ich vom Hinschied Helmut Kohls vernahm, vollzog ich eine geistig-moralische Wende und begab mich zum Aussitzen auf den Abort.

Abb.: „A Carload – A Mammoth Pear 1910 postcard”,
by Edward H. Mitchell [Public domain],
via Wikimedia Commons

Abteilung: Unerhört nichtig, Zeuge der Geschichte | Kommentare (15) | Autor: