Dich singe ich, Frühling!
Wenn sich „Schnee“ auf „passé“ reimt, „atemlos“ auf „Augen groß“, „Schatz“ auf „Katz‘“, „Dach“ auf „Krach“ und „Luft“ auf „ruft“, dann ist man entweder auf einen Poetry-Slam geraten oder ins örtliche Anzeigenwochenblatt, die Luruper Nachrichten. Auf Seite 10 der Ausgabe vom 9. April legen zwei Herren, Doktoren gar, sich mit dem Grundgesetz des Dichtens an, das wie folgt lautet: Man kann es oder man kann es sein lassen. Und sie scheitern natürlich dabei.
—Das wäre nicht weiter erwähnenswert, nähme ihr, nun ja, Gedicht „Frühling“ nicht im letzten Drittel eine Wendung, die man in den Klassikern des Genres vergeblich suchte, auf die so ein Mörike oder Göthe nie gekommen wären in ihrer olympischen Verblasenheit. Die Schlußverse haben sogar eine Moral, und wenn es dem Gesamtwerk auch an Festigkeit in Rechtschreibung, Interpunktion, Grammatik, Metrum und anderen Kleinigkeiten mangeln mag: Mit dieser Pointe machen die Autoren alles wett. Jetzt muß der Hymnus nur noch von Rosenstolz oder Grönemeyer vertont werden, dann haben wir einen Hit wie seit René Carols „Am Zuckerhut“ keinen mehr. Bitte die folgenden Zeilen laut lesen oder von Xavier Naidoo, wahlweise Bushido vorträllern lassen:
Sie wollen bestimmt jetzt weißen, wie hinter dem Sange die Meister heißen. Ich will die Zeit Ihnen nicht stehlen und es nicht länger verhehlen, wer in Frühlings üpp‘gem Sämen den Wesen will die Triebe nehmen. Der eine ist Herr
der, auch wenn er nicht grad Ostereier abschneidet, ein ziemlich muntrer Seifensieder sein dürfte. Und der andere … Ach, da kommen Sie nie drauf … Daß ein Tierarzt so heißen könnte:
Er hat sich den poetischen Platz im Anzeigenkäsblatt mit einem Sechzehntelseiteninserat teuer genug erkauft, daß er seine Reklame auch hier haben soll – und gratis:
Ehre seinem Namen!