Geräuschkodex für den See
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Was verboten gehört:
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Motorboote
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Männer, die Motorboote besitzen
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Männer, die Männer bewundern, die Motorboote besitzen
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Musik aus elektronischen Geräten
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Menschen, die Musik aus elektronischen Geräten hören
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Menschen, die sich an Musik aus elektronischen Geräten nicht stören
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Bauarbeiten mit Lärmentwicklung (besonders an sonnigen Tagen)
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Gartenarbeiten mit Lärmentwicklung (besonders an sonnigen Tagen)
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Bau- und Gartenarbeiten mit Lärmentwicklung sowie Musikbegleitung aus elektronischen Geräten (besonders an sonnigen Tagen)
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Und natürlich das Sirren der Stechmücken
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Was man manchmal gern hört:
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Segelschiffe/Ruderboote
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Menschen, die auf Segelschiffen/Ruderbooten lachen
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Menschen, die den Menschen, die auf Segelschiffen/Ruderbooten lachen, „Ahoi“ zurufen
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Musik aus Gitarren
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Menschen, die zu Musik aus Gitarren singen
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Menschen, die zu Musik aus Gitarren summen
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Kinder, die im Wasser spielen
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Und natürlich das Quaken der Gänse, das Schnattern der Enten, das Jammern der Möwen
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Was man immer gern hört:
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Das Zwitschern und Schwätzen, das Tschilpen und Pfeifen, das Flöten und Keckern der Kohlmeisen, Blaumeisen, Schwarzdrosseln, Grünfinken, Mauersegler, Kleiber, Spatzen und Schwalben
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Das Plantschen der Wellen
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Das Brummen der Hummeln, das Summen der Immen
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Das Plappern der Flügel der Tagpfauenaugen
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Das Lispeln der Blätter am Abend
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Das Schnaufen der Igel unter den Büschen
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Das Plauschen der Bäume bei Nacht
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Das tuschelnde Huschen der Fledermäuse
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Das Ploppen der Flaschen, das Glucksen der Gläser
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Und natürlich das Atmen der Liebsten, wenn der Mond wie ein goldener Apfel über dem See schwebt
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Photos: Martina Sokolowsky
Sonntag, 31. Juli 2016 6:52
Welch ein bezauberndes Gedicht!
Hiermit verleihen die Haubachstraße Studios Ihnen den Haubachstraße-Studios-Preis für das schönste Gedicht, das jemals am 31. Juli 2016 ins Netz gestellt wurde!
Mit besten Grüßen,
Daniel Lüdke
CEO Haubachstraße Studios
Die Konkurrenz war aber auch wirklich nicht groß … Danke für die Blumen! KS
Sonntag, 31. Juli 2016 6:57
Was ich nur nicht so ganz verstehe ist, wieso es die „Musik aus Gitarren“ nicht in die Rubrik „Was man immer gerne hört“ geschafft hat?!?
Ich glaub, ich muß mir das mit dem Preis noch mal überlegen.
Mit frdl. Grüßen, Lüdke.
Nix da, gepriesen ist gepriesen! Und „immer“ geht nicht, weil leider nicht jeder so schön Gitarre spielt wie Du. KS
Sonntag, 31. Juli 2016 13:26
„Ganz zivilisiert werden wir erst sein, wann auch die Ohren nicht mehr vogelfrei sein werden und nicht mehr jedem das Recht zustehen wird, das Bewußtsein jedes denkenden Wesens, auf tausend Schritte in die Runde, zu durchschneiden mittelst Pfeifen, Heulen, Brüllen, Hämmern, Peitschenklatschen, Bellenlassen u. dgl.“
Als Herr Schopenhauer dies niederschrieb, herrschten ja sogar noch vergleichsweise paradiesische Zustände für das denken (oder einfach bloß seine Ruhe haben) wollende Wesen. Kaum auszudenken, was dem vielleicht hellsichtigsten, sicherlich aber hellhörigsten aller denkfreudigen deutschen Griesgrame des 19. Jh. noch alles an Anti-Krachmacher-Polemik eingefallen wäre: hätte er nur im Entferntesten geahnt, was Motorboote, Rasenmäher und Myriaden lautsprechender Geräte in einer nicht allzu fernen Zukunft sensiblen Sensorien wie dem seinen antun würden. Aber vielleicht hätte er dann ja auch gar nichts mehr aufgeschrieben, vollends verzweifelnd an der Zivilisierbarkeit der menschlichen Gattung.
Nicht umsonst ist das Dezibel nur ein paar Buchstaben entfernt vom Debilen. Und kumuliert jenes, so tut es auch dieses. Und umgekehrt. Das gilt für Führerreden und für Fanatikermeilen; eigentlich gilt’s für jede Art von Krach und Lärm und für die, die ihn veranstalten. Trotzdem: Solange noch jemand das Atmen der Liebsten unterm Apfelmond zu vernehmen vermag, gibt’s immer noch Hoffnung. Eine leise, versteht sich.
Dazu muß man freilich erst mal wegfahren (was leider wieder Krach macht). KS
Sonntag, 31. Juli 2016 15:44
Wer wollte dem widersprechen. In meiner Jugend hatten wir solch stille Idyllen an den Havelseen und durch die dünne Besiedlung heutzutage kann man sie dort immer noch finden.
Ein nettes, schon etwas angejahrtes Chanson zum Thema ist von Pigor und Eichhorn und heißt „Lärmschutzgesetz“. Vielleicht kann man es ja jutjuben. Ich besitze natürlich die Schallplatte. 🙂
Wie es sich für Menschen mit Geschmack gehört. – Und hier der Link zum Chanson auf YouTube. Schön laut stellen! KS
Dienstag, 2. August 2016 7:34
Wunderhübsch. Sie sind wirklich ein Romantiker. Vielen Dank.
Ich schmeiß dann mal den Rasenmäher an.
Aber bitte auch den Ghettoblaster mit irgendwas von Unheilig. KS
Dienstag, 2. August 2016 21:37
Hilfe! Ich vergaß den Horrorexperten, der in Ihnen direkt neben dem Romantiker haust.
Da wohnen noch mehr. Mindestens fünf, glaube ich. Ganz schön eng manchmal! KS