Herr Hamburg und die Hygiene

Heino Jaeger gewidmet

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Er ist groß, einsneunzig mindestens, und kräftig gebaut, an der Schwelle zum Fettleib. Über seine Wampe spannt sich ein Sweater mit der Aufschrift „Hamburg“. Da weiß ich gleich, wie der Mann heißt. Wie alt er ist, kann ich jedoch nur raten. Dreißig – vielleicht. Seine Pausbacken, das winzige Basecap und die riesige Brille (plus fünf Dioptrien) lassen ihn aussehen wie einen Deppen aus der sechsten Klasse. Wir stehen ziemlich nah beieinander und warten auf den Bus.

Plötzlich Gummiquietschen und Motorbrüllen: Da hat sich einer von der rechten Spur in eine Lücke auf der linken gedrängelt. Und nun beginnt ein Gespräch, das ich mir gar nicht ausdenken könnte. Eswurde nichts gekürzt oder geschürzt. Hiersitzt jedes Wort wie gemeißelt.

HERR HAMBURG. Das war aber knapp! Idioten!

ICH. Ja, wird gern gerast an dieser Ecke.

HERR HAMBURG. Deshalb fahr ich auch kein Auto. Alles viel zu hektisch. Macht
mich verrückt.

ICH. Im Bus ist es natürlich –

HERR HAMBURG. Versteh die Leute nicht. Was das immer soll! Zum Beispiel
in meiner Firma. Das sind da solche Schweine.

ICH. ––

HERR HAMBURG. Da kann man nicht auf Toilette gehen! Ich nehm immer so
Hakle-Feuchttücher und leg die auf die Brille. Oder sonst so halb im Stehen.
(Er führt die Pantomime eines Hockpinklers vor.)

ICH. ––

HERR HAMBURG. Normales Klopapier geht auch, aber doppelt gelegt. Wissen
Sie, was man sich da sonst holen kann?

ICH. ––

HERR HAMBURG. Da kann man sich alles mögliche holen. Ich hatte mal so einen
Ausschlag, einen roten, der ging von da bis da. (Er malt mit der rechten
Hand eine Ellipse über seine fleischigen Arschbacken.)

ICH. (Lahm.) Aber jetzt sind Sie wieder gesund?

HERR HAMBURG. Klar! (Er macht Anstalten, seine Hose zu öffnen.)

ICH. (Hastig.) Entschuldigen Sie, ich hab leider keine Zeit mehr, ich, äh, muß
noch, äh, telephonieren. Tschüs!

HERR HAMBURG. Ja, schon gut.

Photo: Wikimedia commons/Apostoloff

 


Donnerstag, 22. Januar 2015 23:35
Abteilung: Bored beyond belief, Unerhört nichtig

Ein Kommentar

  1. 1

    Klingt nach Asperger-Syndrom. Und das meine ich jetzt weder zynisch oder auf sonst eine Weise bösartig, sondern aus Erfahrung aus näherer Verwandtschaft …

    Danke für den Hinweis. KS

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