Mars in oppositio

Kay Sokolowsky hat bereits vor längerer Zeit (ca. Herbst ‘89) die Hoffnung aufgegeben, seine Meinung könne mehrheitsfähig werden. Die allgemeine Einverstandenheit mit dem Status quo erscheint ihm seit dem Fall der Mauer wie eine neue, viel mächtigere, weil unsichtbare Wand, an der er sich beim Versuch, sie einzurennen, nichts als Beulen und Kopfweh holen kann (und geholt hat). Was Sokolowsky allerdings nicht davon abhält, immer wieder dagegenzupoltern.

Ähnlich fest auf dem eisernen Thron wie heute saß der Kaputtalismus seit seiner Gründerzeit nicht; und anders als damals ist keine soziale Bewegung in Sicht, die ihm das Plündern und Verwüsten sauer machen könnte. Syriza? Ach je. Podemos? Schön wär‘s. Der Abgang der Marktwirtschaft ist weiter weg als ein (s.iunten) bemannter Flug zum Mars.

Seltsamerweise sind die schlimmsten Diener der Reaktion viel (wenn man so ambivalent sagen darf:) optimistischer, was einen roten Morgen betrifft, Signale an die Völker und das Auf-zum-letzten-Gefecht. Die gleiche Überschätzung, mit der viele Maoisten und K-Grüppler einst, in den 70ern, ihr eigenes autoritäres Revolutionsgekasper betrachteten, übertragen sie heute, zu Lakaien der Klassenherrschaft konvertiert, auf die paar Antikapitalisten, die es freilich gibt; wie Pandas im Zoo. Das wäre zum Lachen, hätten jene opportunistischen Dummbeutel auch nur einen Funken Witz im Leib. Doch sie meinen ihr denunziatorisches Geschwätz genauso ernst wie damals, als sie sich okkult zu den Erbauern einer neuen Welt ernannten.

Anfang Februar brachte der „Forschungsverbund SED-Staat“ ein schwartenartiges Buch heraus, in dem mit dem Eifer und der Objektivität von Inquisitoren behauptet wird, die Mehrheit der Deutschen neige dem Sozialismus und einem linken Umsturz zu. Sokolowsky las davon und hoffte sogleich, sein Staunen über so viel Realitätsverkennung an prominenter Stelle äußern zu können.

Wie erfreulich daher für ihn, als wenig später die Konkret-Redaktion anfragte, ob er der suspekten Studie des Forschungsverbunds nicht passende Worte nachsagen wolle. Das wollte wohl und tat Sokolowsky, und seine Polemik kann im aktuellen Heft inspiziert werden. Übrigens freut der Autor sich, seinen Aufsatz in bester Gesellschaft wiederzufinden. Jörg Kronauer zum Beispiel beschreibt im ersten Teil eines großen Essays den Aufstieg Wladimir Putins zum neuen Erzfeind des Westens ebenso kenntnisreich wie materialgesättigt – ein Masterpiece politischer Analyse. Erich Später überprüft in der vorletzten Folge seiner Serie „Der dritte Weltkrieg“, was am beliebten deutschen Gruselstück von den befohlenen Massenvergewaltigern der Roten Armee dran ist. Rolf Surmann faßt prägnant zusammen, wie die Deutschen beim Umgang mit griechischen Reparationsansprüchen sich selber treu geblieben sind, sieben Jahrzehnte lang.

Und irgendwo zwischen all diesen guten Stücken taucht Sokolowsky noch einmal auf, und zwar mit der siebten Episode seiner SF-Revue „Die Zukunft war gestern“. Diesmal widmet er sich den herzmassierenden Mars-Chroniken des amerikanischen Poeten Ray Bradbury. Weil auf Druckpapier der Platz leider limitiert ist, steht das Postskriptum zur neuen „Zukunft“ nicht im Heft, sondern auf der Website von Konkret.

Es geht in diesem P.S. um einen hinreißenden Auftritt Bradburys anläßlich der Marsexpedition von Mariner 9 anno 1971. Die lange Fassung diesr Plauderei plus schönbestirnte Gedichtrezitation ist zum Glück auf Video erhalten. Wenn Sie Bradbury auch nur halb so sehr verehren und lieben wie Sokolowsky, dann sollten Sie sich das Schauspiel nicht entgehen lassen. Zumal am Rand der ebenfalls eminente Arthur C. Clarke seinen Spaß hat und freimütig zeigt. (So oft Kay Sokolowsky den Clip anschaut, fühlt er sich sofort wie mal mit 14 und seine Ohren glühen gleich dem Mars in oppositio):

Ray_Bradbury_JPL_1971_(c)_NASA

Bild/Screenshot: Konkret-Verlag/Wikimedia Commons

2 Kommentare

  1. 1

    Eins ist sicher: „konkret“ ist die beste und lesenswerteste Zeitschrift, die seit Jahrzehnten auf dem Markt ist. Aufklärung in den finsteren Zeiten der Dummheit und des deutschnationalen Herrenmenschentums. Mit gerade mal 18 Jahren stieß ich durch Zufall im Februar 1980 auf „konkret“, und die Zeitschrift und vor allem Gremlizas Kolumnen und sein „Express“ haben mich ein Leben lang begleitet.

    Für solche Leser schreibt unsereins doch gern. Venceremos! KS

  2. 2

    Clarke, Bradbury … AND Carl Sagan !

    Gut aufgepaßt! KS

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