Sonntag, 1. Juli 2012 19:00
Die Serie „Director‘s Cut“ versammelt Texte von mir, die bereits vor Jahren, aber nie in ihrer ursprünglichen Form erschienen sind. Hier sind sie endlich so zu lesen, wie sie mal gedacht waren, bereichert um Szenen oder Exkurse, die einst an den Grenzen des Layouts scheiterten, beschnitten um Sätze und Formulierungen, die dem Autor heute eher peinlich sind. Für jede Neupublikation gibt es einen Grund – heute ist es das Endspiel um die Europameisterschaft 2012.
DER BESSRE GEWANN!
WM-FINALE 1986 – EINE EPOPÖE
ERSTER GESANG
Singe den Sieg, o Göttin, der
—argentinischen Stiere,
Stimme uns ein mit Lauten der
—Freude auf das Versagen,
Kläglich, verdient und allen
—willkommen, die Schande der
—deutschen
Truppgurken, wie sie sich zutrug
—im Endspiel der Weltmeister-
—schaft im
Jahre Acht-Sechs zu Mexiko-Stadt,
—der sonnenerhitzten
Herrlichen Perle des Hochlands!
—Und singe, o Göttin, vor allen
Lob dem begnadetsten Spieler, so
—jemals gelebt und getreten
Und wie der Sturmwind getragen
—den Ball übers Feld, ach, Diego,
Strammester, ach, aller Strammen, Gewitztester, ach, der Gewitzten,
Ach, Maradóna! Nicht wen‘ger denn drei teutonische Klötze
Band jenen Tages, es war Ende Juni, Dein magischer Fuß, Dein
Unwiderstehlicher Antritt, und ihre Namen verwehte,
Bliese hinweg der Wind der Geschichte, wären sie nicht durch
Dich für immer verewigt: Matthäus und Förster und Jakobs.
Wohl – ein Tor, Maradóna, war Dir nicht vergönnt in dem Glanz des
Estadio Aztéca vor einhundertzehntausend Menschen, frenetisch
Alles bejubelnd, was Du nur tatest, und wie erst ein Goal von
Dir, ach, Diego! Dumm aber, taub und wahrscheinlich auch blind sind
Jene, die meinen, Du habest rein gar nichts gerissen an diesem
Tage. Vergessen, verleumdet haben die dreisten Idioten
Dein berückendes Zuspiel, den tödlichen Paß auf, Moment, auf
J. Burruchága, acht Minuten vor Abpiff, der Schuß und
Drei-Zwei! Der Titel! Die Krone der Welt! Doch Einhalt, o Göttin,
Sprich Deiner Laute und meiner! Uns fehlet die Stimme des Mannes,
Welcher vom Klappstuhl, geklemmt zwischen Mikro und Ohrknopf,
—erbebend
Aussprach die Schmach der germanischen Elf. Wir rufen Rolf Kramer.
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