Schnipsel: Politur und Kultik

Anti-Trumputin-Demo, Los Angeles, 21.1.2017

Das Rußlandtor ist geschlossen
Die populärste Verschwörungstheorie des laufenden Jahrzehnts hat sich erledigt. Eine Narretei globalen Ausmaßes, ein auf nichts als Spekulation, Gerücht, Chauvinismus, Idiotie und Fake News beruhendes Komplottmärchen namens „Russiagate“ ist als der Quatsch erwiesen, der es von Beginn an war. Die Riesenhysterie um einen vermeintlichen Deal des Kreml mit Donald Trump zwecks Präsidentenwahl war blanker Wahn. Was nun bleibt, sind die Trümmer der „vierten Gewalt“, die Leichenteile einer Demokratie und zahllose belämmerte Gesichter. Es bleibt aber auch (und das sollte uns alle sorgen) trotz der Blamage der „Russiagater“ eine „Doomsday Clock“, die auf zwei Minuten vor der ewigen Mitternacht steht.

Vor drei Wochen übergab Sonderermittler Robert Mueller dem US-Generalstaatsanwalt William Barr, was er, Mueller, an Erkenntnissen und Dokumenten betreffs einer „Collusion“ des Trump-Teams mit Putin zusammengetragen hatte. Es war so gut wie nichts. Barr teilte am 24. März dem US-Senat und -Kongreß sowie dem Rest der Welt mit:

The Special Counsel’s investigation did not find that the Trump campaign or anyone associated with it conspired or coordinated with Russia in its efforts to influence the 2016 U.S. presidential election.

Das kann nur für jene eine Überraschung sein, die sich die Hose mit der Kneifzange anziehen bzw. glauben, ihre Art Journalismus habe Qualität, bloß weil sie es penetrant behaupten. Die anderen, die leider viel zu wenigen Journalisten, die von Beginn an rochen, daß an „Russiagate“ was faul ist, wurden entweder von der Qual.presse totgeschwiegen oder, wenn sie nicht so leicht zum Schweigen gebracht werden konnten – wie zumal Glenn Greenwald – unter den Verdacht gestellt, ebensolche Kremlsklaven zu sein wie das Mons-Trump (Pardon für den Kalauer).

Das Ausmaß und die Konsequenz dieses Polit- und Mediendebakels sind kaum abzuschätzen, auf jeden Fall verheerend. Der notorische Lügner und Protofaschist Trump kann fortan seine Dauerkampagne gegen die „lügenden Medien“ führen und nun sogar ein Stück Wahrheit in die Hetze flechten. Denn alle, die ihm geheime Absprachen mit Putin andichteten, haben in der Tat Falschmeldungen verbreitet. Das gewaltige Mißtrauen in die etablierten Medien – aus dem Trump erwuchs und weiterhin gedeiht – ist auf eine Weise bestätigt worden, die sich durch tausend neue „Faktenfinder“-Portale und zehntausend weitere Podiumsdiskussionen nicht tilgen läßt. Matt Taibbi hat in einem brillanten Essay die Katastrophe, die Muellers Abschlußbericht für die Qual.medien bedeutet, beschrieben. Taibbi kommt zu diesem Fazit:

As a purely journalistic failure, however, WMD [Weapons of Mass Destruction] was a pimple compared to Russiagate. The sheer scale of the errors and exaggerations this time around dwarfs the last mess. Worse, it’s led to most journalists accepting a radical change in mission. We’ve become sides-choosers, obliterating the concept of the press as an independent institution whose primary role is sorting fact and fiction.

Derzeit löschen einige der größten „Collusion“-Schreihälse aus ihren Twitter- und Facebook-Timelines die Parolen, mit denen sie Robert Mueller als Erlöser vom Übel verkauften. Das Wort „erbärmlich“ ist zu nett für solche Retuschen. Zum Glück vergißt das Internet nichts, und die Schmach und Schande, mit denen sich so gut wie alle transatlantischen Qual.medien in Sachen „Russiagate“ besudelten, kann ohne viel Gesuche besichtigt werden, beispielsweise hier (und in diesem Clip sogar lustig):


Es ließe sich zu der „Russiagate“-Superpleite des kapitalliberalen Journalismus noch viel mehr sagen, aber das verschiebe ich auf eine andere Zeit, eventuell einen anderen Ort. Einstweilen bin ich einfach mal mit mir und meinem guten alten, an Kraus, Friedell, Tucholsky, Henscheid und Gremliza geeichten Bullshit-Detektor zufrieden. Vor knapp zwei Jahren – Robert Mueller hatte seine Suche nach einer Chimäre gerade erst aufgenommen –schrieb ich in Konkret 7/2017:

Die Demokraten und ihre Verbündeten in den Medien drehen schier durch bei ihrer Kampagne, den Oberbefehlshaber als Spion der Russen zu enttarnen. Die meisten Republikaner – die mit Trump in gegenseitigem Abscheu verbunden sind – wissen nicht so recht, ob er nun ein Verräter oder eitler Poser ist, und müssen sich selbst verleugnen, um beim Russkie-Bashing nicht mitzutun. Andere, vor allem die Senatoren McCain und Graham, würden am liebsten noch heute Rußland den Krieg erklären, halten aber wie die Kollegen still bei jedem anderen Indiz für die Korruptheit Trumps.
Daß die Außenpolitik des Neuen das Gegenteil von dem tut, was Putin gefällt, und im Kabinett ein Kriegsminister hockt, der sehr gern mal die Widerstandskraft der russischen Armee testen würde – interessiert keinen der Komplottgläubigen. Sie haben nicht einen gerichtsfesten Beweis und vergeuden wertvolle Energie und Zeit, die sie besser einem Blick auf Trumps Konten und Verträge widmeten. Zweifellos haben Kremlagenten dem Team des Kandidaten Tips zugesteckt, damit er der Erzfeindin Clinton schade. Doch das dürften Kleckerbeträge sein, verglichen mit der Flut von Schwarzgeld in Trumps Laufbahn. Wäre die selbsternannte „Resistance“ etwas bei Trost, hätte sie sich auf die jüngsten Steuererklärungen des angeblichen Milliardärs konzentriert und auf die Unvereinbarkeit seines Familienunternehmens mit der Neutralitätspflicht des Amtes. Aber vielleicht redet man im liberalen Bürgertum – aus dem diese Widerstandskämpfer stammen –, nicht so gern über den Kapitalismus, der am Ende seiner Entwicklung vor allem von Glücksrittern, Tricksern und Schiebern repräsentiert wird und beim Umverteilen des Wohlstands den demokratischen Prozeß weitgehend zerstört hat.

Wie meistens wollte niemand auf mich hören. „Das habt ihr nun davon“, möchte unsereins brüllen, „ihr Mark Potzkerls und Roland Kamelles!“ Oder wie immer die hiesigen Nullitäten heißen, die es für sauberes Handwerk halten, bei MSNBC und CNN ihre haltlosen Clickbait-Storys abzukupfern. Sie alle sind als Quietsch- und Quatschköppe desavouiert und blamiert.

Und werden daher garantiert demnächst befördert werden. So läuft es nämlich in einem Gewerbe, dessen Karrieristen sich einbilden, nicht käuflich zu sein, obschon nur solche in ihm aufsteigen, die ohne Bedenken ihre Würde verkaufen. Sie haben ja, unter wie auf dem Strich, nichts zu verlieren.

***

Das Rußlandtor knarzt
Kaum habe ich meine Glosse beendet, fangen „New York Times“, „Washington Post“, CNN und MSNBC schon wieder an und erzählen der Kundschaft, sie hätten von irgendjemand, der keinen Namen besitzt, zugetragen bekommen, irgendein anderer Anonymer aus Robert Muellers Ermittlungsteam habe sich entrüstet, William Barr resümiere den Report nicht korrekt.

Bei näherem Hinsehen zeigt sich, daß die dunklen Quellen keineswegs behaupten, es habe doch eine „Collusion“ stattgefunden. Sie bestreiten auch nicht, daß im Mueller-Bericht kein Stoff für weitere Anklagen gegen Trumps Spießgesellen noch gar gegen den Unhold selbst steckt. Es gäbe also, wären „New York Times“, „Washington Post“, CNN und MSNBC seriös, nichts zu berichten, nichts zu drucken.

Aber dank solchen Fabrikationen kann eine Wahnsinnsgeschichte, mit der sich zweieinhalb Jahre lang so leicht und leichtfertig Geld verdienen ließ, ewig weiterlaufen. Und auf nichts anderes kommt es dem akuten Journalismus an, der sich – um einen der übelsten, ekligsten, gewissenlosesten Protagonisten der „Russiagate“-Spinnerei, Luke Harding, zu zitieren – vor allem als „Storytelling“ begreift. Das heißt, als Groschenroman. Leider sind die Autoren durch die Bank miserable Garnspinner, die bloß eine Masche draufhaben.

Und wer labert den Scheiß sofort nach? „Spiegel online“, natürlich. Überschrift am 5. April:

Muellers Bericht soll schädlicher für Trump sein als bisher angenommen

Und solches Geraune im Konjunktiv, solche Windbeuteleien verbreiten dieselben Typen, die sich jeden Zweifel an der politischen und ökonomischen Unabhängigkeit ihres Qual.journalismus als „Komplottdenken“ verbitten.

Diese Branche ist nicht zu retten.

***

Genosse Trend
Apropos Sokolowsky und Konkret –: Im aktuellen Heft widme ich mich wieder mal der blödesten der Parteien, und zwar anläßlich ihres angeblichen „Abschieds von Hartz IV“ („Handelsblatt“ u. v. a.). Weil mir gelegentlich danach ist, mir selbst auf die Schultern zu klopfen, lobe ich mich jetzt vehement für diesen Satz:

Die SPD ist am Ende, weil sie das Letzte ist.

Auch sonst liest sich das Stück nicht uneben, glaube ich. Obgleich es mir die Chance auf eine SPD-Ehrenmitgliedschaft final vermasseln dürfte. – Aber wer möchte schon einer Partei angehören, in der ein gruppenbezogener Menschenfeind wie Thilo Sarrazin weiterhin zu Hause sein darf, in der ein Schreckensmann wie der immer noch nicht zum Teufel gejagt wird, nicht mal jetzt, nach dem antimuslimischen Massaker von Christchurch?

Meinem Konkret-Stück sei noch nachgetragen, daß tatsächlich niemand auf die Behauptung der Seeheimer-Partei reinfällt, sie wolle den gemeinnützigen Staat restituieren. In der Forsa-„Sonntagsfrage“ rangierte die SPD vor Bekanntgabe ihres „Konzeptpapiers“ über einen „neuen Sozialstaat für eine neue Zeit“ bei 16 Prozent der Wählerstimmen. Kurz danach stürzte sie auf eine Quote von 14 und, sobald klar wurde, daß die Partei erneut nichts als heiße Luft ventilierte, sogar auf 13 Prozent. Inzwischen steht sie abermals bei 16 von Hundert, aber das kann sich ändern, sobald die Große Vorsitzende schweinesystemerhaltend den Schnabel auftut und die avisierte Klientel verpfeift. Ach, schon passiert:

Zum Start des Volksbegehrens „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ positioniert sich die Bundes-SPD und lehnt Enteignungen als Instrument gegen Mietensteigerungen und Wohnungsnot ab. […] „Ich verstehe die Wut auf Wohnungskonzerne, die jeden Cent aus den Mietern rauspressen wollen. Aber Enteignung dauert Jahre und schafft keine einzige Wohnung.“
Die Milliarden, die der Staat als Entschädigung zahlen müßte, fehlten für neue Sozialwohnungen, so Nahles weiter. Statt Enteignungen wolle die SPD einen „Mietenstopp und das verfügbare Geld in bezahlbaren Wohnraum investieren, damit mehr Wohnungen entstehen“.
FAZ, 6.4.2019

Die Sozialdemokratie möchte nämlich nicht vorm Kapital buckeln. Sie will auf dem Bauch liegen.

***

That was he, people
Ein anderer Blender und Verräter seiner Wähler, Ex-US-Präsident Barack Obama, tourt derzeit durch Europa und schaufelt Moneten mit Vorträgen, für die er bis zu 5.000 Euro Eintritt verlangt. Es gibt selbstverständlich genug Idioten, die für so was Geld übrig haben, doch keinen Cent für den armen Schlucker, der sie in der S-Bahn um ein Almosen angeht, und sie bekommen dafür genau das, was sie bei vergleichbaren Pop-Events erwarten und erhalten: eine glänzend lackierte Hohlform bzw. einen Riesenhaufen Dung mit Goldstaub.

Zweifellos verfügt Obama über hundertmal mehr Charme, Charisma, Witz und Hirn als der komplette SPD-Vorstand, und auch ich bin dem smarten Herrn aus Chicago einige Zeit lang begeistert auf den Leim gegangen. Doch das ist vorbei und bereut wie nur je eine fixe Idee, eine närrische Schwärmerei. Wer allerdings immer noch glaubt – trotz Guantanamo, trotz Libyen, trotz Chelsea Manning, trotz „Black Lives Matter“ et mult. al. – Obama sei ein „progressiver“ Politiker, ein glaubhafter Vertreter der guten Sache und kein korruptes Arschloch, kein Agent der „powers that be“ –: der wird auch nie kapieren, warum der Hanswurst Donald Trump gar keine Hilfe aus Rußland brauchte, um Obamas Erbin Hillary Clinton zu demütigen.

Seit 2007 habe ich mir Barack Obama ziemlich genau angesehen und nicht mehr erwartet, daß er mich noch überraschen könnte. Was der Ex allerdings am 7. April in Berlin (immerhin ohne Eintrittsgebühr) von sich gab, fällt sogar aus dem Rahmen seiner gewohnten Bigotterie, ist an Unverfrorenheit plus Heuchelei auch von Trump nicht zu übertreffen:

Ein großes Thema Obamas heute ist der Kampf gegen den Klimawandel, er traf sich in Berlin auch mit Aktivisten der „Fridays for Future“-Bewegung, darunter eines ihrer Gesichter in Deutschland, Luisa Neubauer. […] Vor dem Aufenthalt in Berlin – Obama residierte hier im Hotel Adlon mit Blick auf das Brandenburger Tor – war er in Köln, beim „World Leadership Summit“. Dort betonte er, wenn alle jungen Leute zur Wahl gingen und für klimafreundliche Parteien stimmten, könnten sie sehr schnell Veränderungen erzwingen. Er sage jungen Leuten immer: „Ihr würdet euren Großvater niemals darüber entscheiden lassen, was ihr anzieht oder welche Musik ihr euch anhört. Aber ihr laßt ihn darüber entscheiden, was mit der Umwelt geschieht, in der ihr leben werdet?“ Das Zitat wiederholt er auch in Berlin.
Der Tagesspiegel, 7.4.2019

Mit dem Großvater muß er sich selbst meinen. Bereits vor drei Jahren notierte „Forbes“:

In the year 2000, just before President Bush took office, U.S. crude oil production averaged 5.8 million barrels per day (bpd) according to the Energy Information Administration (EIA). During President Bush‘s last year in office, 2008, U.S. crude oil production averaged 5.0 million bpd.
[…] From that low point in 2008, U.S. oil production has grown each year to reach 9.4 million bpd in 2015 – a gain of 88% during Obama’s presidency. This is in fact the largest domestic oil production increase during any presidency in U.S. history.
Forbes, 15.1.2016

Und es ist keineswegs so, daß Obama seinen gewaltigen Anteil an der Klimakatastrophe bestreitet. Wenn‘s paßt, brüstet der legitime Nachfolger George „Dubya“ Bushs sich sogar mit dem forcierten Unheil seiner Fracking-Politik, beispielsweise hier (im Video ab 3‘20“):

America is like the biggest oil producer and the biggest … That was me, people, I just want you to know …! Haha!

Also nicht bloß ein Schmier-, sondern sogar ein Schmieröllappen. Und diesem Buben weinen die Leute auch nur eine Träne nach? Diesem Ausbund an Doppelzüngig- und Bestechlichkeit, diesem ebenso begabten wie skrupellosen Knecht des Kapitals? „Eff the effing eff!“ (Jimmy Dore)

***

What‘s in a name?
Kaum hat der Blogger erklärt, daß er beim Bloggen keine Rücksicht auf irgendein Publikum nehmen will, erhält der Admin eine Abbestellung des „Abfall“-Newsletters. Sowohl Blogger als auch Admin haben sich gelobt, über solche Vorgänge nicht mehr nachzudenken. Doch diesmal gibt es abseits der Eitelkeit einen guten Grund sich zu wundern. Und zwar, weshalb der Abbesteller überhaupt auf die Idee kam, den Newsletter zu abonnieren. Er weiß ja nicht mal, wie der Autor des „Abfall“ heißt. „Sehr geehrter Herr Kokowsky“, beginnt die E-Mail, und da möchte ich doch am liebsten gleich aufhören zu lesen.

Es ist nicht einfach, aber auch keine Kunst, den Namen des Admins korrekt zu schreiben, und generell kein falscher Aufwand, vor Absendung einer Botschaft nachzusehen, ob der Name des Adressaten richtig geschrieben wurde. Wer sich nicht die Zeit nehmen mag, dergleichen zu überprüfen, der hat auch sonst für kein gutes Wort Zeit. Solche Leser haben hier in der Tat nichts zu suchen.

Der Admin antwortete dem schlampigen Abbesteller nicht im Zorn, sondern höflich: „Ich habe Sie sehr gern aus dem Verteiler genommen.“ Hoffentlich kommt der Satz genauso an, wie er gemeint ist.

***

Gut laut
Der verehrte Kollege und liebe Freund Jürgen Roth ist neben vielem anderen – zum Beispiel als Ornithologeein erwiesener Fachmann auch für die hohe Kunst der Rockgitarre. Ohne seine kundigen (Roth ist ein mehr als passabler E-Gitarrist) Empfehlungen und Erzählungen wäre ich gelernter Jazz-Snob nie auf die Idee gekommen, mich für avancierten Rock‘n‘Roll zu interessieren, und wüßte bis heute nicht, wer Jeff Beck ist. Nämlich, so Roth, „der beste“ seines Fachs.

Zum Beleg spielte Roth mir vor Jahren Becks „Blackbird“ vor, eine Hommage an den Mozart unter den Vögeln, die Amsel. Das Stück griff mir sogleich ans Herz, und es leuchtet mir bis heute heller ein als alles, was Olivier Messiaen sich ausdachte, um der Hochtönerei der gefiederten Barden zu huldigen.

Neulich brachte ich aus der Bücherei die jüngste (wenngleich schon zwei Jahre alte) Platte Jeff Becks heim. Sie trägt den schwerkorrekten Titel „Loud Hailer“. Gemeinsam mit der Gitarristin Carmen Vandenberg und der umwerfenden Sängerin Rosie Bones hebt Mr. Beck „den Kelch des Rock“ (Jack Black), und wer hier auf Zimmerlautstärke runterregelt, der qualmt auch Joints, ohne zu inhalieren.

Nachdem ich dieses fabelhafte Getöse nonstop zweimal hintereinander durch Ohren, Wohnung und Nachbarschaft geblasen hatte, wollte ich natürlich von Meister Roth wissen, ob er das Album gleichfalls goutiere. Und was sagt er, er!, der Beck-Kenner und -Anrater schlechthin? Er, er!, sagt, er kenne „Loud Hailer“ nicht. Er! Das sind die Momente, in denen Laien sich richtig groovy fühlen, in denen sie auf dicke Hose und großen Gönner machen können, nachdem sie bis dahin bloß demütig und weitgehend stumm der Expertise des Experten zunickten.

Ich habe, glaube ich, meinen schmalen Triumph nicht übers Maß ausgekostet. Jedenfalls nicht telephonisch. Ich legte Dottore Roth bloß nah, die Platte raschestmöglich zu begutachten. – Daß ich insgeheim sofort erwog, ihn hier (hihi) bloßzustellen , behielt ich natürlich für mich. So muß der kleine Eckermann sich einst gefühlt haben, als er den großen Goethe über den Kuckuck belehrte.

Worauf ich jedoch hinauswill, ist nicht mein Egoboo, sondern das Stück „Right Now“. Es ist ein Blues wie aus geschmolzenem Schwermetall und kommentiert die Waschlappigkeit der akuten Popmusik und -musikanten so treffend –

You karaoke kids think that you have the right
To win the war without taking part in the fight

– wie er der Generation „DSDS“ –

I want it right now, right now
Don‘t know what I want but I want it right now

– musikalisch eins aufs Schnütchen haut. Pump up the volume!

Photo (Aufmacher/Ausschnitt):
„Putins President (31672625663)“,
by Cody Williams from Los 4ngeles//C4, US [CC BY 2.0],
via Wikimedia commons


9 Kommentare

  1. 1

    Hach ja, No 45 & 44 in einem Blogeintrag. Ich werde nie vergessen, wie entgeistert ich war, als die Demokraten anfingen, ihre Niederlage komplett auf Putin zu schieben, nur weil sie sich nicht mit ihrem inhaltlichen Versagen befassen wollten. Z. B. die Tatsache, daß der hl. Obama mehr Drohnen hat verballern und Menschen hat abschieben lassen, als gäbe es kein Morgen. Aber Hauptsache cool und kultiviert…

    Jeff Beck, yes!! Ich gehe davon aus, Sie kennen Live at Ronnie Scott’s – mit der rhythm section from outer space, Vinnie Colaiuta und Tal Wilkenfeld, und Gästen wie Joss Stone? Gibts alles auf Youtube – ich bin allerdings gerade nicht imstande, einen Favoriten rauszupicken. (Vom neuen Album wusste ich allerdings auch noch nichts – danke für den Hinweis!)

    Oh ja, die Ronnie-Scott’s-Session kenn ich – und ich oute mich gern als geifernder alter Wüstling, indem ich den Joss-Stone-Auftritt als HÖHEPUNKT dieses großartigen Konzerts benenne. Man geifere bitte mit (im Video ab 42’40“): https://www.youtube.com/watch?v=AoQHnzHrqgE
    KS

  2. 2

    Nur 2 Verlinkungen zur SPD:

    https://www.jungewelt.de/artikel/352302.sozialdemokratie-denk-an-deine-tochter-liebe-andrea.html?sstr=Otto%7CK%C3%B6hler

    https://man-tau.com/wp-content/uploads/2017/04/spd-vollpfosten-1.jpg

    Danke für die beiden Hinweise. Otto Köhlers Abschiedsbrief an die „liebe Andrea“ ist unbedingt lesenswert. KS

  3. Jean-Gert Nesselbosch
    Dienstag, 9. April 2019 10:47
    3

    „[…] Aber vielleicht redet man im liberalen Bürgertum – aus dem diese Widerstandskämpfer stammen –, nicht so gern über den Kapitalismus, der am Ende seiner Entwicklung vor allem von Glücksrittern, Tricksern und Schiebern repräsentiert wird und beim Umverteilen des Wohlstands den demokratischen Prozeß weitgehend zerstört hat.[…]“ Das ist es natürlich. Es ist die reine Wahrheit. Und trotzdem interessiert das einfach niemanden, abgesehen von den Lesern dieses Blogs und den paar Konkret-Abonnenten (zu denen ich auch gehöre). Wenn man irgendwas mit „Kapitalismus“ oder so sagt, schalten die Leute unter 40 sofort ab und denken wahrscheinlich : „Was will der Opi ? Wahrscheinlich kommt der gleich auch noch mit Karl Marx … oder wie der heisst“. Wie geht man mit sowas um, wenn man, wie ich, stramm auf die 60 zugeht, und sich *nicht* in seinen eigenen Nörgel-Onkel verwandeln will. Ich hätte ganz gerne, dass meine Kinder und Enkel nicht sofort auf Durchzug stellen, wenn Vati/Opi zum Vortrag „über die wahren Verhältnisse und Gründe der Misere“ ausholt. Geht sowas ?

    Alles Gute für Sie, und lassen Sie nicht locker !

    Lieber Jean-Gert Nesselbosch, ich bin etwas weniger skeptisch als Sie, die jungen Leute und ihre Abstraktionsfähigkeit betreffend. Es ist doch ein gewisser Fortschritt, daß wieder über den Kapitalismus öffentlich debattiert wird statt über die „Marktwirtschaft“. Außerdem: ich war schon ein nörgelnder alter Sack, als ich noch keine 30 war. Entsprechende Abwertungen nehme ich also sehr gelassen hin. Auch Ihnen alles Gute! KS

  4. 4

    Hach, tut es gut, wenn der geschätzte Blogger meinem Zorn Luft macht! Ich könnte sonst glatt ersticken an den beleidigenden Absurditäten, die uns vorgesetzt werden, von Russiagate, über Skripal, MH17 bis hin zur endlosen Wiederkäuerei der ‚Annexion‘ der Krim, die schon länger russisch ist, als es die heruntergekommenen Staaten überhaupt gibt. Und dem Kleber mußte auch mal jemand gehörig die Meinung sagen.

    Schön, daß Sie wieder da sind, wohltuend wie eh und je – und ohne Rücksichtnahme auf nichts und niemanden!

    Schön auch, daß ich Sie vorm Ersticken retten konnte. Da sage noch einer, Gedichte seien zu nichts nutze! KS

  5. 5

    Da gibt es diverse Listen der Best of-Gitarristen.
    Die Meinung, Jimi Hendrix sei der beste gewesen, ist Mainstream.
    Ich persönlich kann jene Listen nicht ernstnehmen, denn auf der Best of-Liste des Rolling Stones Magazins rangiert z. B. Keith Richards auf Platz vier (hüstel, röchel). Meine favorisierte Nummer Eins ist seit den Siebzigern unverändert der Maestro, Frank Zappa.
    https://www.youtube.com/watch?v=zodxwk13HkQ

    Also, schlecht ist das nicht. Bei Jesus F. Christ nicht. – Danke für diesen Hörhinweis! KS

  6. 6

    Dank an Camarillo Brillo für den exzellenten Zappa! Gitarrenhelden sind immer gut. Ich biete mein Lieblingsstück von meinem Lieblingsalbum von Buddy Guy. Der ist auch nicht ganz schlecht:
    https://m.youtube.com/watch?v=hvgS8f9jobU

    „Nicht ganz schlecht“ ist ein bißchen zu euphemistisch. Ich habe Mr. Guy mal live aufspielen sehen & hören, und sein Gig war schon ein Fest auf dem Festival. – Danke für den verlinkten Krach! KS

  7. 7

    Buddy Guy live gesehen? Jetzt gibts mal was, worum ich Sie RICHTIG beneide …

    Leider waren es nur 30 Minuten (Jazzfestival-Gig). Ich durfte den großen Mann nicht anfassen/-sprechen. Und richtig Bock hatte er an dem Nachmittag eher nicht. – Sie dürfen mich trotzdem gern beneiden! KS

  8. 8

    Zu Russiagate aus Richard Hofstadters klassischem Aufsatz „The Paranoid Style in American Politics“:

    „As for Eisenhower himself, Welch characterized him, in words that have made the candy manufacturer famous, as ‚a dedicated, conscious agent of the Communist conspiracy’—a conclusion, he added, ‚based on an accumulation of detailed evidence so extensive and so palpable that it seems to put this conviction beyond any reasonable doubt.'“

    Nachdem der Gründer rechtsradikalen John-Birch-Society das gesagt hatte, wandten sich selbst hartleibige Kalte Krieger wie William Buckley von ihm ab. Heute sitzt das gesamte sogenannte progressive Amerika derselben Verschwörungsfantasie unter anderen Vorzeichen noch einmal auf und kann sich gar nicht davon lösen.

    Widerspruch: nicht „das gesamte sogenannte progressive Amerika“, sondern das gesamte bourgeoise Amerika. Welches in „Russiagate“ ein tolles Horrormärchen ge-/erfunden hat, um seine eigene Verantwortung für die Zustände in den U. S. of A. nicht näher mustern zu müssen. KS

  9. 9

    Ein „tolles Horrormärchen“, ja. Aber eines, das schon vor der Wahlniederlage Clintons erzählt wurde und an dessen Entstehung sehr viele Akteure beteiligt waren. Trump liegt daher vermutlich richtig, wenn er von einer „Hexenjagd“ und einer „Verschwörung“ spricht. Mit seinem korrupten Geschäftsgebaren, seiner Korruption, seinem Sexismus, seinem Rassismus und seinem im Großen und Ganzen katastrophalen politischen Programm hatte das nichts zu tun. Es ging vielmehr um den einzigen, aus meiner Sicht wegen der akuten Gefahr eines dritten Weltkriegs wichtigsten Politikbereich, in dem Trumps Ankündigungen sich auch der Zustimmung eines antiimperialistisch gesinnten Linken wie mir sicher sein konnten: Deeskalation mit Russland, Abzug aus Syrien. So wurden durch die Mär von der „Collusion“ mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen.

    „Progressive“ trifft es in der Tat nicht, zumal sich auch der große Aaron Maté als „progressive“ bezeichnet (haben Sie sein epochales Interview mit dem in der Tat furchtbaren Luke Harding gesehen?) Wie wäre es mit „bipartisan war-party“ — also denjenigen in den beiden großen Parteien, die Angst hatten, dass Trump in Sachen Imperialismus und Feindbildaufbau ein unsicherer Kantonist und mithin kein „safe pair of hands“ ist?

    Ich möchte nicht versäumen, mich sehr für Ihre Texte hier und in der konkret zu bedanken. Ich lese sie sehr gerne und bin auch in aller Regel herzlich einverstanden.

    Beste Grüße
    Der Reverend

    Lieber Reverend, herzlichen Dank für Ihr Lob an mich und auch für Ihren klugen Kommentar. – Die Dekonstruktion des üblen Propagandisten Harding durch den smarten Kollegen Maté kann ich, wie Sie, nur empfehlen. Das ist Journalismus, wie er sein soll! KS

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