So ein Dummerjan
Den Denkapparat J. Fleischhauers zu analysieren, ist viel zu simpel, als daß es mich reizen könnte. Zudem läßt der Qualitätsjournalist Jan F. sich allein darüber definieren, was er bestimmt nicht ist (z. B. tiefgründig, philanthrop, witzig, begabt). Da hat sogar Akif Pirinççi mehr zu bieten, und über den mag ich erst recht nicht schreiben.
—Ich fasse mich also kurz und überlasse es weitgehend Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, sich ein Urteil über die intellektuelle Integrität sowie Sauberkeit eines Burschen zu bilden, der zunächst, Ende Februar, anläßlich des griechischen Widerstands gegen die deutsche Austeritätsdiktatur, folgendes in seinen „Schwarzen Kanal“ plumpsen ließ:
Das Meinungsklima meint es derzeit nicht besonders gut mit uns Deutschen. Kein Tag, an dem die Kanzlerin nicht irgendwo in eine Nazi-Uniform gesteckt wird und man wieder Hakenkreuze hervorkramt. Da nützt es auch nichts, daß wir brav ein Hilfspaket nach dem anderen schnüren. (…)
—Es fehlt nicht mehr viel, und sie verbrennen deutsche Flaggen. Aber halt, auch das tun sie ja bereits. (…) Aber so ist es, wenn man aus Sicht anderer als zu erfolgreich, zu selbstbewußt, zu stark gilt. Wir sind jetzt die Amerikaner Europas. (…)
—Wahrscheinlich müssen wir uns einfach daran gewöhnen, daß wir in manchen Ländern Europa (sic!) für einige Zeit nicht mehr sehr beliebt sind.
Gestern dann schwamm, gleichsam als Baumaterial für die Einmaurer der EU, dies obenauf:
Wir dachten, man würde uns unsere harte Haltung in der Griechenlandkrise übel nehmen, aber das war ein Mißverständnis. Nicht der spießige Deutsche, der auf die Rückzahlung alter Schuldentitel pocht, macht den Nachbarn Angst: Es ist der Deutsche mit dem großen Herzen, der sich gegen alle Einwände entschlossen hat, die Welt bei sich aufzunehmen. (…)
—Die Deutschen haben nach Lage der Dinge drei Möglichkeiten: Sie erweisen sich als gute Europäer und schließen sich der Meinung an, daß man den Flüchtlingen den Weg verlegen muss. Sie machen so weiter wie bisher, verzichten aber darauf, von ihren europäischen Nachbarn zu erwarten, daß sie sich an dem Hilfswerk beteiligen. Oder sie versuchen mit aller Macht, den Kontinent nach ihrem Bilde von Humanität zu formen, ohne Rücksicht auf die Verwerfungen, die das mit sich bringt.
Einem Autor widersprechen zu wollen, der zwecks Herstellung eines stolzdeutschen und daher menschenfeindlichen „Meinungsklimas“ kein Problem damit hat, sich selbst derart massiv zu widersprechen, ist verschwendete Zeit. Den Tauben zu predigen, nicht überall hinzukacken, wäre sinnvoller. Sie haben nämlich mehr Verstand.
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Photo (Ausschnitt): „Glockebuxach“ / By User:Memmingen (Own work)
[Public domain or Public domain], via Wikimedia Commons
Donnerstag, 5. November 2015 11:29
Manchmal, ganz selten, überkommt es mich auch und ich lese einen Fleischhauer. Das ist ein empathiefördernder Vorgang, denn ich entwickle dadurch ein Verständnis für Schaulustige bei Unfällen. Man weiß im Grunde, daß es unanständig und menschlich niedrig ist, tut es aber trotzdem.
Wenn der Ekel über Figuren wie F. und – mehr noch – über das Gesindel, das diesen Schwätzer für einen großartigen Autor hält, zu überwältigen droht, stelle ich mir vor, was für Freunde und Freundinnen diese Leute haben, welchen Umgang sie nach Feierabend pflegen, und wie diese Kreaturen sich gegenseitig belauern und bescheißen, während sie so tun, als seien sie miteinander ganz dicke. Hier stimmt Sartres großer Satz ganz besonders, der über die Hölle und die Anderen. KS
Samstag, 7. November 2015 7:24
Empathiefähigkeit ausgerechnet durch Fleischhauer-Beschau trainieren zu wollen, das erfordert schon einen verdammt gesunden Magen. Aber auch ich hab, zu meiner Schande muß ich’s gestehen, immerhin die jüngste Fleischhauer-Online-Hetzerei bis zu ihrem gruseligen Ende durchgelesen. Und, weh mir, den brechreizenden Autoren-Imitator kurz darauf sogar leibhaftig schauen müssen, bewegt und in Farbe in irgendeiner bayrischen TV-Quasselrunde. Ein paar Minuten lang konnte ich’s aushalten, dann hat sich mein Empathiezentrum abgeschaltet, wohl um sich und mich vor irreversiblem Schaden zu bewahren. Ich hab ganz schnell weitergezappt zu einer alten Folge von Akte X, in welcher sich, mit unverhohlen menschenfeindlichen Absichten, irgendwas häßliches Extraterrestrisches aus seinem Loch herausarbeitete. Und wer hätte das gedacht: Dies schleimige grunzende Ding aus einer anderen Welt war mir doch auf Anhieb sympathischer als der Erdling Fleischhauer; das Ding wirkte auch, lieber Kay, intellektuell sehr viel integrer und sauberer.
Das eklige Fleischhauerbewundererfeierabend-Tableau aber, das du da gemalt hast, will ich mir ganz bestimmt niemals bewegt und farbig vorstellen, denn so gesund ist mein Magen vermutlich nicht. Orte, an dem sich so was den kläglichen Feierabend schönsäuft, umtrinke ich weiträumig. Und abgesehen davon, daß ich lieber miesen Fusels als mieser Gesellschaft wegen kotze, will ich nicht die ganze Zeit daran erinnert werden, daß es den Fleischhauern und ihren Gesinnungsgenossen vielleicht noch einmal gelingen könnte, „den Kontinent nach ihrem Bilde von Humanität zu formen“. Das hat dieses Gesindel ja schon im letzten Jahrhundert mit deutscher Gründlichkeit versucht, auch damals ohne Rücksicht auf die Verwerfungen: Millionen Ermordete. Und man kann sich leider nichts vormachen: Das Gesindel versucht es ja schon wieder. Mit anderen Mitteln als früher vielleicht, aber mit ähnlicher Intention. KP
Und mit diesen angemessenen Umschreibungen eines Nichts wollen wir das Fleischhauen beenden, bitte. Dafür ist mir der angemietete Serverspace zu teuer. Und mag es sich auch bloß um Nanocents/Monat handeln. KS
Sonntag, 15. November 2015 12:42
„Da hat sogar Akif Pirinççi mehr zu bieten, und über den mag ich erst recht nicht schreiben. “ Och, wieso nicht? Der Mann hat tatsächlich einiges zu bieten, z. B. die Romanvorlage für einen der wenigen brauchbaren deutschen Mysteryfilme. „Die Tür“ (2009): zu bewundern am 18.11.2015 in 3sat. Da müßten Sie als alter Science-Fiction-Fan dem Pirinççi doch etwas Rabatt geben.
Beim letzten Mal haben Sie mir eine Heirat empfohlen, diesmal raten Sie mir einen Film und ein Buch an – was denn als nächstes? Ein Rezept für Pflaumenkuchen? Weshalb ein evtl. gelungener Film nach einem Buch von P. mich bewegen sollte, über P. (und nicht über den Film) zu schreiben, das bleibt mir wie so vieles in Ihren Kommentaren verschlossen. KS