Tadel und Lob
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Zugegeben – ich hab’s vergeigt. Versemmelt, vergurkt, verdattelt. Erst die ganz dicke Hose markiert, nun sooo klein mit Hut. Wer sich lustig machen will über den Auguren Sokolowsky, der darf und soll es tun; ich habe Spott verdient.
—Denn im Vorwahl-Blogpost „Alles für die Tonne“ verkündete ich folgenden Orakelspruch:
Ich nehme an, daß die CDU mit ein oder zwei Prozentpunkten vor der SPD landen, es aber zu einer großen Koalition nicht reichen wird und die Grünen nach monatelangem Gefeilsche der FDP das Königsmachen überlassen werden.
—Der nächste Kanzler, ich sehe es mit Grusel voraus, heißt, so oder so (Trommelwirbel), Armin Laschet.
Wie es tatsächlich gekommen ist, wissen Sie seit Montag. Nämlich grad’ andersrum. Die SPD hat knapp zwei Prozentpunkte mehr als die CDU; FDP und Grüne harmonieren wie Topf und Schwamm. Allein meine Kanzler-Prophezeiung steht noch unangefochten da. Sollte auch sie platzen und Hochfinanzminister Schlz die kommende Bundesregierung anführen – dann will ich geloben, nie wieder mit meiner politischen Präkognition zu prahlen.
—Daß ich mir jetzt aus lauter Eitelkeit und Rechthaberei eine schwarzgelbgrüne Herrschaft wünsche, ist etwas mehr als ein Gerücht, aber weniger als die Wahrheit.
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Vor Jahren unterstellte Henryk M. Krawallbroder mir, ich sei ein „vom Neid zerfressener Autor“, was ebenso falsch wie ein Musterexempel für Broders polemische Ramschmasche ist. Wenn es mich tatsächlich mal zerfrißt, dann wegen sachlicher Fehler und verunfallter Sätze. Dergleichen brockt mir Schreibblockaden ein, die sich gelegentlich über Wochen hinziehen.
—Daß ich mich über mein Wahlprognosendebakel nicht selbst zerfleische, hat die „Abfall“-Kundin Beate Baumm verhindert. Sie schickte mir eine E-Post zum jüngsten Posting, wie ich sie nicht alle Tage erhalte und auf die manch anderer Autor wirklich neidisch sein dürfte bzw. darf. Es spricht sehr für mein kleines feines Publikum, daß es Kommentare zu verfassen vermag, die form- und sprachschöner sind als mein eigenes Zeug:
Süchtig
Lieber Kay Sokolowsky, kaum zu beschreiben, welche Vorfreude mich befällt, wenn in meinem Postfach der Hinweis auftaucht, es gebe wieder einen neuen Beitrag von Ihnen:
—Ich war noch gar nicht aufgestanden, noch versunken im Porträt von Oliver Sacks und wollte mich eigentlich anziehen und meinen Tagesgeschäften nachgehen. Dann sehe ich den Hinweis in meinem Mailpostfach, ziehe mir den Morgenmantel meines Mannes über und zögere das Öffnen noch eine kleine Weile hinaus. Schließlich öffne ich den Beitrag und das erste, was ich mache – in etwa so, wie man ein total verbotenes Foie gras sich servieren läßt, das schon mit dem ersten kleinen Bissen auf der Zunge zergeht –, ist, daß ich die Seite mehrfach vergrößere per „Control +“. So hält es länger vor, bilde ich mir ein.
—Dann lese ich betont langsam, mich daran erinnernd, daß der kürzlich gelesene Eckhart Tolle (gräßlich!) dazu auffordert, ganz tief zu atmen, dem Atem nachzulauschen und sich dabei ganz im JETZT! zu befinden, was ich selbstverständlich damit kombiniere, mit dem anderen Auge auf den Text zu schielen, um ihn mir ganz langsam (einen-Zug-rein-einen-Zug-raus) von meiner Hirnrinde vergegenständlichen zu lassen.
—Natürlich schaue ich zwanghaft nicht nach dem unteren Bildschirmausschnitt, denn dort könnte schon das Ende des Textes ins Gesichtsfeld kommen, was mir den Spaß verderben würde. Ich möchte ja so lange wie möglich davon ausgehen, schlemmen zu können ohne Rücksicht auf die Kalorien.
—Die natürlich unglaublich fett sind, so fett, daß man damit noch zwei Tage lang ohne jede Nahrungszufuhr auszukommen in der Lage ist.
Frau Baumm engagiert sich übrigens für die schöne Initiative „Foodcaring“. Das läßt mir ihr nahrhaftes, herzliches Lob nur noch mehr ans Herz wachsen.
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Photos:
„Macarony Boston NMAH2003-25005“ (Ausschnitt),
by Pendleton’s Lithography; Johnston, David Claypool/
National Museum of American History [Public domain],
via Wikimedia Commons
„Enthusiastt child ..kudos…“ (Ausschnitt),
by Hemanthsingh.h, [CC BY-SA 3.0],
via Wikimedia Commons
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