Zeuge der Geschichte (15)


Als ich vom Ableben Ursula Kroeber LeGuins hörte, kam mir das Universum plötzlich ein großes Stück kleiner vor.

Und ich dachte, daß eine Zukunft, die sich nicht an diese Dichterin und ihr Werk erinnert, keinen Pfifferling wert ist.

Und weil ich zu traurig bin, um einen lesbaren Nachruf zu verfertigen, verweise ich auf das, was ich vor einiger Zeit über die einzigartige Garnspinnerin, Denkerin, Weltenbauerin LeGuin hier veröffentlichte.

Photo (Ausschnitt): „Ursula K Le Guin“,
by Gorthian (Own work) [CC BY-SA 3.0],
via Wikimedia Commons



Donnerstag, 25. Januar 2018 19:28
Abteilung: Zeuge der Geschichte

3 Kommentare

  1. 1

    Jammerschade. Ich habe das traurige Ereignis zum Anlaß genommen, Always Coming Home aus dem Regal zu nehmen, einen Zukunftsentwurf, den LeGuin in Form einer ethnographischen Studie gestaltet hat. Ich muß gestehen, daß ich das Buch noch nie beendet habe, so faszinierend es auch ist. Man müßte einen Urlaub damit verbringen. Aber ich habe schon viel geblättert, und es gibt wunderbare Passagen, darunter ganz am Anfang einen Essay über die Methodik des Buches, Towards an Archaeology of the Future. Ich zitiere mal etwas ausführlicher, denn da steht Poetisch-Tröstliches im Angesicht des Todes (und, da die im Buch beschriebene zukünftige Gesellschaft in der Zeit nach einem großen Umweltkollaps existiert) auch im Angesicht des „Verkackens der Spezies“:

    „If I listen, can I hear voices with the inner ear? Could you hear voices, Schliemann, in the streets of Troy? If you did, you were crazy too. The Trojans had all been dead three thousand years. Which is farther from us, farther out of reach, more silent – the dead or the unborn? Those whose bones lie under the thistles and the dirt and the tombstones of the Past, or those who slip weightless among molecules, dwelling where a century passes in a day, among the fair folk, under the great, bell-curved Hill of Possibility?
    There’s no way to reach that lot by digging. […]
    The only way I can think to find them, the only archaeology that might be practical, is as follows: You take your child or grandchild in your arms, or borrow a baby, not a year old yet, and go down into the wild oats in the field below the barn. Stand under the oak on the last slope of the hill, facing the creek. Stand quietly. Perhaps the baby will see something, or hear a voice, or speak to somebody there, somebody from home.“

    Lieber Peter Remane – Sie haben den Nachruf geschrieben, den ich nicht packte. Vielen und herzlichen Dank dafür! KS

  2. 2

    Zuviel des Lobes; ich habe ja nur zitiert. Darf ich noch mal? Ich habe im selben Buch, ganz am Anfang (A First Note) einen Abschnitt zum selben Thema wie das vorhergehende Zitat gefunden, der auf die allerbeglückendste Weise mit atemberaubender Leichtigkeit tiefe Einsicht mit einem dermaßen schelmischen, tongue-in-cheek, Humor verbindet, daß mir der Mund jetzt noch offensteht:

    „The difficulty of translation from a language that doesn’t yet exist is considerable, but there’s no need to exaggerate it. The past, after all, can be quite as obscure as the future. The ancient Chinese book called Tao teh ching has been translated into English dozens of times, and indeed the Chinese have to keep retranslating it into Chinese at every cycle of Cathay, but no translation can give us the book that Lao Tze (who may not have existed) wrote. All we have is the Tao teh ching that is here, now. And so with translations from a literature of the (or a) future. The fact that it hasn’t yet been written, the mere absence of a text to translate, doesn’t make all that much difference. What was and what may be lie, like children whose faces we cannot see, in the arms of silence. All we have is here, now.“

    Wie kriegt man sowas hin?

    Wie wird ein Mensch zum Genie? – Merci für dieses großartige Zitat! KS

  3. 3

    Eine angemessene Würdigung anstelle eines Nachrufes wäre es vielleicht auch, wenn das von Peter Remane empfohlene Werk „Always Coming Home“ mal irgendjemand ins Deutsche übersetzen würde. Aber der deutsche Buchmarkt hat wohl besseres zu tun als der polnische, italienische, dänische, russische, serbische, spanische und französische.
    Es ist ein Elend.
    Aber vielleicht bin ich selbst schuld, daß ich die Poesie der Worte da oben nicht unmittelbar fühlen kann, sondern sie mir übersetzen muß, bloß weil ich zu faul bin, mir ein besseres Leseenglisch anzutrainieren …

    Ich finde, daß eine Dichterin wie LeGuin es verdient hat, ihre Sprache zu „trainieren“. Der Gewinn ist größer als die Mühe. KS

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